Reise nach Zypern - Eberhardt TRAVEL
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„Erzürnt zog sich Heinrich von seinem Vater zurück und gelangte <strong>nach</strong> Argenton. Von dort floh er zum<br />
König von Frankreich, ohne dass seine Diener, die der König für ihn abgestellt hatte, davon wussten.”<br />
Der Chronist zählt die Adligen auf, die die Partei des jungen Heinrich ergriffen hatten und fährt fort:<br />
„Der König zerstörte bei all diesen die Häuser, Setzlinge und Wälder. Ebenso entfremdeten sich<br />
Königin Eleonore und ihre Söhne, Graf Richard von Aquitanien und Gottfried von der Bretagne.”<br />
Der französische König Ludwig ist über die Anwesenheit von drei Königssöhnen entzückt und hält<br />
erfreut einen Hoftag ab. Der Streit im englischen Königshaus stärkt seine Position. Feierlich schlägt er<br />
Richard zum Ritter.<br />
Vater Heinrich lässt sich durch das Bündnis seiner Söhne mit König Ludwig nicht beeindrucken. Im<br />
November 1173 stößt er mit einem Söldnerheer bis Chinon vor und bedroht Aquitanien. Heinrich ist<br />
wesentlich reicher als seine Gegner, er kann mehr Söldner einstellen. Solche Fehden, auch unter<br />
Verwandten, waren nicht unüblich. Als Heinrich in Aquitanien eindringt, gelingt es ihm, Eleonore<br />
gefangen zu nehmen. Richard, kaum sechzehn, versucht einen Gegenangriff auf La Rochelle. Die<br />
Verhaftung seiner Mutter Eleonore kann für Richard den Verlust Aquitaniens bedeuten. Die Bürger<br />
von La Rochelle zeigen indessen wenig Neigung zum Risiko: Sie schlagen sich auf die Seite des<br />
mächtigen Heinrich. Die Stadt lebt vom Weinexport <strong>nach</strong> England. Richard muss abziehen, der Krieg<br />
geht weiter.<br />
Auf einigen Miniaturen tragen Heinrich und Richard Kirchen in der Hand: Sie zeigen die Könige als<br />
Schutzherren der Kirche. Als besonders fromm galten sie den Zeitgenossen nicht. Richard hat die<br />
Messe gerne besucht, weil er den Gesang liebte.<br />
Im Frühjahr 1174 demonstrieren Vater und Sohn in Saintes eine sachliche Beziehung zur Kirche.<br />
Heinrichs Söldner kämpfen gegen die Gefolgsleute Richards, die in der Kirche Zuflucht gesucht<br />
hatten. Richard kann fliehen, hat aber keine Truppen mehr. Da König Ludwig und seine Brüder die<br />
Fronten gewechselt haben, muss Richard aufgeben. Im September 1174 unterwirft sich der Sohn<br />
dem Vater und bittet tränenreich um Vergebung. Heinrich verzeiht ihm, weil es die Staatsraison<br />
erfordert. Der Staat braucht Erben, und keine Gefangenen im Verlies. Heinrich beauftragt seinen<br />
Sohn, gegen rebellierende Barone vorzugehen.<br />
Im Jahr 1177 befindet sich Alice, die Tochter Ludwigs, fast acht Jahre lang im Gewahrsam des<br />
englischen Königs. Die Ehe zwischen Alice und Richard kommt nicht zustande, weil Heinrich große<br />
Gebiete um die Stadt Bourges als Mitgift fordert. Schließlich erreicht Ludwig, dass Papst Alexander III.<br />
König Heinrich mit dem Bann droht, falls die Heirat weiter verzögert würde. Im September 1177 halten<br />
die beiden Könige eine Friedenskonferenz in Nonancourt ab. Sie verhandeln erneut über strittige<br />
Besitzrechte, bekräftigen den Heiratsplan und schließen einen Waffenstillstand.<br />
In Paris stirbt im Herbst 1180 Ludwig VII. Als Nachfolger wird Ludwigs Sohn als Philipp II. zum König<br />
von Frankreich gekrönt. Richards Geschick wird von nun an mit diesem Mann verbunden sein -<br />
gelegentlich als Freund, meistens aber als Feind.<br />
Bei einer Konferenz im Jahr 1182 in Grandmont beklagen sich aquitanische Adlige bei Heinrich über<br />
die Grausamkeit, mit der Richard bei der Niederwerfung von Rebellionen vorgeht. Einige Chronisten<br />
werfen ihm vor, er habe seine Untertanen unterdrückt und ungerechte Forderungen an sie gestellt.<br />
Der englische Chronist Roger von Hoveden zeichnet das düsterste Bild:<br />
„Er entführte die Frauen, Töchter und Mägde seiner Untertanen mit Gewalt und machte sie zu seinen<br />
Konkubinen. Wenn er seine Lust mit ihnen gehabt hatte, gab er sie an seine Soldaten zur Erfreuung<br />
weiter.<br />
Vater Heinrich scheint die Beschwerden über seinen Sohn nicht ernst genommen zu haben.<br />
Gemeinsam bekämpfen der König, Richard und der junge Heinrich eine Rebellion im Limousin. Aber<br />
die Einigkeit hält nicht an. Der junge Heinrich ist zwar formal der Haupterbe, verfügt aber immer noch<br />
nicht über eigene Territorien und Steuereinnahmen. Er erwägt eine Wallfahrt <strong>nach</strong> Jerusalem,<br />
versucht aber dann, seine irdischen Ziele durch ein Bündnis mit den Rebellen im Limousin zu<br />
erreichen. Bei Aix an der Vienne führt Richard seine Truppen 1183 gegen die Verbündeten seines<br />
Bruders Heinrich und behält die Oberhand. Die gefangenen Söldner lässt er in der Vienne ertränken.<br />
Das grausame Vorgehen sollte wohl als Warnung verstanden werden. Richards Sinn für symbolische<br />
Akte entwickelt sich. Das Gefecht an der Vienne ist Richards einzige Begegnung in Frankreich, die<br />
einer Schlacht nahe kommt.<br />
König Heinrich eilt mit Verstärkungen herbei, um die Rebellion seines Sohnes Heinrich zu beenden.<br />
Auf der anderen Seite entsendet König Philipp Truppen zur Unterstützung der Rebellen. Damit ist der<br />
Waffenstillstand gebrochen und von der Kreuzfahrt gegen Saladin ist keine Rede mehr. Der junge<br />
Heinrich, der sich durch Kirchenplünderungen mit Geld versorgt hatte, beginnt gerade die Oberhand<br />
über Vater und Bruder zu gewinnen, als er im Juni 1184 plötzlich stirbt. Die Rebellion bricht<br />
zusammen und die Erbfolge hat sich für Richard scheinbar vereinfacht. König Heinrich ist bereit,<br />
© Rolf Bührend, Herbst/Winter 2006 Seite 54