Reise nach Zypern - Eberhardt TRAVEL
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Die Fahrt währte noch gar nicht lange, da hielt der Bus kurz, Antonio zeigte <strong>nach</strong> links an den<br />
Straßenrand, kurbelte das Fenster herunter und rief einigen Arbeitern etwas zu. Dann winkte<br />
einer von den Arbeitern herauf. Wir hätten ihn in dieser Uniform nicht erkannt: Es war unser<br />
Niko von gestern Abend. Er befand sich unter einer Gruppe von sechs Straßenarbeitern. „Einer<br />
arbeitet, und die andern fünf sind die Chefs“, sagte Antonio. „Und Nikos ist einer von den<br />
Chefs!“ Und lachte. Wir dachten an seine Kellner- Kapriolen und seine Tanzeinlagen und<br />
lachten auch. Man kennt ihn in Agros und seinen Hang zum Alkohol und gibt ihm lieber ein<br />
wenig Arbeit, als ihn als Stadtstreicher auszuhalten.<br />
Wir passierten auf der E806 Potamitissa und hielten<br />
bald darauf in Pelendri, das uns auf der Fahrt von<br />
Limassol <strong>nach</strong> Agros als „Klein- Moskau“ vorgestellt<br />
wurde. Ausstieg zur ersten Besichtigung. Die Heilig-<br />
Kreuz- Kirche Timios Stravos ist von der UNESCO<br />
eingetragenes Kulturerbe. Ein kleiner Seitenweg von<br />
der Hauptstraße führt zu einem Vorhügel, auf dem ein<br />
kleines äußerlich unscheinbares Feldstein- Kirchlein<br />
thront.<br />
Wir dürfen drinnen nicht fotografieren. Zuerst nimmt<br />
Antonio die Gruppe zusammen und doziert: Ursprünglich<br />
hatte diese Kirche eine einschiffige gewölbte Struktur mit<br />
eingezogenen Bögen, wurde im 12. Jahrhundert gebaut<br />
und 1178 erstmals ausgemalt, wie durch eine Inschrift im<br />
Sanktum (1), dem Allerheiligsten <strong>nach</strong>weisbar ist. Aus<br />
unbekannten Gründen wurde die Kirche zerstört. Nur die<br />
Apsis verblieb und wurde während eines Wiederaufbaues<br />
im 14. Jahrhundert mit einbezogen. Das war die erste von<br />
mehreren Rekonstruktionsbemühungen, welche immer<br />
unternommen wurden, wenn ein Teil der Kirche verfiel.<br />
Dieser wurde jedes Mal in ähnlicher Art wieder<br />
hergestellt oder auch durch verbesserte Strukturen ersetzt.<br />
Das nördliche Seitenschiff (2) wurde im 15. Jahrhundert<br />
angebaut, während das südliche (3) im 16. Jahrhundert<br />
hinzugefügt wurde. Das Ergebnis ist die heutige<br />
dreischiffige Form, deren ansprechenden Proportionen<br />
die unterschiedliche Architekturgeschichte Lügen straft.<br />
Die Original- Malereien des 12. Jahrhunderts, besonders<br />
die Deesis 37 (4), wie sie in der Halbkuppel in einem in<br />
zyprischen Kirchen selten erhaltenem Stil ausgeführt ist,<br />
aber zu dieser Zeit in Kappadokien, Griechenland und<br />
Kreta durchaus üblich war.<br />
Der Hauptteil der Kirche wurde von mindest drei Künstlern in der ersten Hälfte des 14.<br />
Jahrhunderts ausgemalt. Der erste folgte dem paleologischen Stil von Konstantinopel, wie es<br />
der Pantokrator in der Kuppel der Vierung zeigt (5). Der zweite, welcher mehr linear und<br />
weniger sophistisch arbeitete, malte die Engel, das heilige Tuch und die Heilige Steintafel in<br />
den Flächen unterhalb oder bei der Kuppel. Der Dritte folgte dem „Kreuzigungsstil“, der <strong>nach</strong><br />
der Eroberung der verschiedenen christlichen Ministaaten durch die Araber aus Palästina kam.<br />
Ein gutes Beispiel dafür sind die Szenen aus dem Leben der Jungfrau Maria am westlichen<br />
Gewölbe (6). Einige Fresken in der Nordkapelle, komplettiert mit dem Portrait des Heiligen<br />
Paares (7), stammen aus einer noch späteren Periode, wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert.<br />
37<br />
Deesis, ['de:ezis; die; griechisch, „Bitte“], die in der byzantinischen Kunst anzutreffende Darstellung des<br />
thronenden Christus zwischen Maria und Johannes dem Täufer; auf Bildern des Jüngsten Gerichts.<br />
© Rolf Bührend, Herbst/Winter 2006 Seite 75