Reise nach Zypern - Eberhardt TRAVEL
Reise nach Zypern - Eberhardt TRAVEL
Reise nach Zypern - Eberhardt TRAVEL
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Litaneien auf der gesamten Insel. Die Ikone war ebenfalls unter den Gläubigen anderer Gebiete beliebt,<br />
welche in früheren Zeiten ihre Pilgerschaft zum Heiligen Grab mit einem Besuch im berühmten Kykko-<br />
Kloster verbanden.<br />
Heutzutage ist die Besucherzahl natürlich um vieles größer, weil die modernen Transportmittel den<br />
Zugang bedeutend erleichtern. Hier im Kloster treffen Menschen aus aller Welt zusammen, sie beten<br />
die wundertätige Ikone der Gottesmutter an, bitten um Genesung und Kraft, damit sie den schweren<br />
Prüfungen ihres Lebens standhalten können.<br />
In der Kirche findet man Weihgeschenke, die an die Wunder der Heiligen Jungfrau erinnern, z.B. ein<br />
Stück der Zunge eines Schwertfisches, eine Gabe, die an die Rettung einer Matrosenschar vor dem<br />
Ertrinken erinnert. Ihr Schiff wurde 1718 von einem großen Schwertfisch durchlöchert. Ein anderes Mal<br />
hat ein Maure versucht, die Ikone zu entweihen, sein Arm erstarrte. So befindet sich heute ein<br />
Bronzearm in der Nähe der heiligen Ikone, um daran zu erinnern. Alle Opfergaben zeugen von<br />
Wundertaten der Gottesmutter, welche auch in vielen Gedichten aus verschiedenen Zeiten besungen<br />
werden. Auch die in den 1990er Jahren neu gestalteten Mosaiken zeigen solche wundervolle<br />
Begebenheiten.<br />
Dank der Wunderkraft der heiligen Ikone habe es in Zeiten großer<br />
Dürre geregnet, Frauen, die kinderlos waren, seien fruchtbar<br />
geworden, Kranke wurden geheilt. Früher baten die Inselbewohner die<br />
Mönche von Kykko, sie bei Prozessionen in ihren Dörfern mit der Ikone<br />
der Gottesmutter zu begleiten, um die Weihen zu erteilen. Die Zyprer<br />
glaubten, dass schon die Präsenz der Ikone ausreichte, eine Seuche,<br />
Epidemie, die Pest oder jedes andere von Gott gesandte Unheil zu<br />
beenden. Die heilige Ikone wurde jedoch insbesondere als Regen<br />
bringend geachtet. Aus historischen Quellen geht hervor, dass sehr oft<br />
Bittgänge und Litaneien stattgefunden haben mit der Bitte, dass „sich<br />
der Himmel öffne“.<br />
Während der türkischen Herrschaft haben die unterjochten Zyprer des<br />
Öfteren die heilige Ikone um Hilfe ersucht. Um die Ikone im Zuge einer<br />
Prozession außerhalb des Klosters tragen zu dürfen und um Regen zu<br />
bitten, war eine besondere Erlaubnis nötig. Diese Bitte der Christen<br />
wurde von den osmanischen Herrschern oft abgeschlagen, so dass<br />
sich die Christen an den Sultan selbst wandten, um die erforderliche<br />
Erlaubnis durch einen Ferman 39 zu bekommen und so dem Druck der<br />
Herrscher auszuweichen. Davon zeugt beispielsweise ein Ferman aus<br />
dem Jahre 1634.<br />
Ferman über das Recht, die<br />
Heilige Ikone im Zuge einer<br />
Prozession aus dem Kloster<br />
heraus zu tragen<br />
So könnte ich noch manches geschichtliche Ereignis hier wiedergeben. Ich entnehme es einem<br />
Begleitheft des Klosters. Alle diese Fakten kann man nicht behalten, auch wenn man sie<br />
erzählt bekommt. Von Antonio bekamen wir wenig zu hören. Ich stand allerdings nicht immer<br />
bei ihm und hätte nur Zeit verloren. Ich trage mir gern meine Informationen selbst zusammen.<br />
Die Wandmalereien und Mosaiken wiesen viel Gold auf, echtes Gold, was auf den relativen<br />
Reichtum des Klosters schließen lässt. Ich habe nur gestaunt und- fotografiert.<br />
Im Zellenhaus der Mönche, in das wir über Treppen und Gänge gelangten waren vor allem<br />
Geschichten aus dem Alten Testament abgebildet, modern ausgemalt, aber in eben typisch<br />
byzantinischer Malweise. Ich sah Bilder, die den Brudermord von Kain an Abel zeigten, die<br />
Schaffung der Frau aus Adams Rippe oder die Legende vom Bau der Arche Noah. Ich musste<br />
eilen, um mich an die Gruppe anzuschließen.<br />
Über einen zweiten Hof betraten wir dann die relativ kleine Kirche. Sie war voll von<br />
Menschen, vornehmlich Touristen. Es standen draußen Reihen von Autobussen, die <strong>Reise</strong>nde<br />
von ganz <strong>Zypern</strong> hierher gebracht haben. Die Pracht in diesem orthodoxen Gotteshaus ist kaum<br />
noch zu steigern. Ich habe nichts Prächtigeres gesehen.<br />
Die Kirche<br />
Die Klosterkirche wurde mit dem Ziel gebaut, die heilige Ikone zu beherbergen. Ursprünglich war sie<br />
ein Holzbau, ähnlich wie das ganze Kloster. Die Holzkonstruktionen waren feueranfällig, und so<br />
richteten die großen Feuerbrände von 1365 und 1541 bedeutende Schäden an. Dadurch gingen die<br />
wertvollen Wandmalereien verloren. Nach der Feuersbrunst von 1541 wurde das Kloster<br />
wiederaufgebaut. Diesmal wurde statt des Holzes Steinmaterial benutzt. Trotzdem brachen zwei<br />
weitere große Brände in den Jahren 1751 und 1813 aus, die sogar Menschenopfer gefordert haben.<br />
Das Innere der Kirche, die Mönchszellen und der Gasthof brannten ab, Kunstwerke und geistiges Gut<br />
39<br />
Ferman (türk., pers. Befehl): in islamischen Ländern Erlass bzw. Erlaubnis des Herrschers<br />
© Rolf Bührend, Herbst/Winter 2006 Seite 90