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Oldenburger Jahrbuch des Oldenburger Landesvereins für ...

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22 W alter Asmus<br />

Lucia Margarete Herbart, in manchem an die „Dame Schopenhauer",<br />

die Mutter Arthur Schopenhauers erinnernd, muß eine nicht<br />

alltägliche, ungewöhnliche Frau gewesen sein. Das können wir an<br />

dem Eindruck ermessen, den sie auf andere machte. Johannes Smidt,<br />

der Bremer Bürgermeister und Intimus ihres Sohnes, sieht in ihr noch<br />

nach 50 Jahren eine „seltene und merkwürdige" Frau35). Sie selbst<br />

nennt Fichte ihren „Freund", in <strong>des</strong>sen Jenaer Studierstube sie sich<br />

wie zu Hause fühlte (16,72). Der von den „ewigen Alltagsgesprächen"<br />

angeekelten Johanna Fichte ist die Justizrätin die „erste weibliche<br />

Seele", mit der sie seit ihrer Abreise aus der Schweiz recht reden<br />

kann (16, 58). Einen tiefen Eindruck macht sie auch auf den Schweizer<br />

Steck, einen Jenaer Studienfreund ihres Sohnes. An der Ähnlichkeit<br />

der Gesichtszüge erkennt er sie auf den ersten Blick als die Mutter<br />

seines Freun<strong>des</strong>. Tief beeindruckt ihn ihr reiner Charakter, der, eine<br />

Ausnahme vom Gemeinen, „über alle Vorurteile hinweg" ist. Im Umgänge<br />

gibt die geistvolle Frau sich ihm „unbefangen und wenig imposant",<br />

traulich und offen (16, 39). Bemüht, in allem auf der Höhe<br />

der Zeit zu stehen, schätzt sie besonders die zeitgenössische Literatur;<br />

entstand doch auf ihre Veranlassung in Oldenburg neben der alten,<br />

von von Halem gegründeten literarischen Gesellschaft noch eine<br />

zweite, „die den Damen geweiht" war (19, 109). Aus Goethes W ilhelm<br />

Meister zitiert sie Werner („Nichts ist unerträglicher als so ein<br />

alter Kram von Besitztum. W ie läßt sich bei einem toten Kapital nur<br />

irgendeine Freude denken") und springt mit drei Bänden von „M eisters<br />

Lehrjahren", Vossens „Luise“ und dem „Blütenalter der Empfindung"<br />

von der Professor Mereau ins Bett (16, 21). Schon in der<br />

temperamentvollen Burschikosität ihres Stiles verrät sich ihr <strong>für</strong> eine<br />

Frau recht männlicher Charakter mit seinen „männlichen Tugenden<br />

und Fehlern“ (16,70), der im burschenlustigen Jena am studentischen<br />

Treiben mehr Spaß als selbst der Sohn findet. Wenn sie abends „im<br />

blauen Mantel und rundem Hut" in der Stadt herumgeht, ist sie ein<br />

Student „so gut wie einer“ . Hätte ihre „abgenutzte Maschine" nicht<br />

diese „fatale Backengeschichte", so würde keiner <strong>des</strong> Lebens mehr<br />

froh werden als sie „hier unter den Burschen" (16, 31). Die männlichen<br />

Charakterzüge sind es auch, die Smidt am meisten in der Erinnerung<br />

geblieben sind: „Die seltene und merkwürdige Frau vereinte<br />

lebhafte Phantasie mit schnellem Überblick, raschem Entschlüsse,<br />

mannhafter Willensstärke und Ausdauer in der Konsequenz <strong>des</strong> Ge-<br />

wollten. Sie war zum Regimente geboren, wollte schaffen und wirken,<br />

vielfache Lebensaufgaben erfassen und bestehen, blickte und rührte<br />

sich nach allen Seiten"25). Bei dieser Veranlagung war ihr kein W ag-

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