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Oldenburger Jahrbuch des Oldenburger Landesvereins für ...

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Die Herbarts in Oldenburg 29<br />

Friedrich getaufte Knabe war „der Mutter Kind". Aus blaugrauen<br />

Augen blickte er in die W elt; ein Schopf „hellbraunen" Haares bedeckte<br />

das Köpfchen, aus dem das spitze Naschen sich schon der<br />

W elt entgegenstemmte, während das „runde Kinn" sich unter dem<br />

mittelgroßen Mund nach vorn wölbte (19,117). Die von Natur etwas<br />

schwächliche und empfindliche Konstitution <strong>des</strong> Knaben erforderte<br />

die sorgfältigste Pflege. Bei ihrem „großen Sinn" und hohen Streben<br />

hat seine Mutter ihm diese in fast überreichlichem Maße zuteil<br />

werden lassen. Von ihrem Manne in ihrem wohl manchmal etwas<br />

forciert und exzentrisch wirkenden „genialen Treiben" nicht verstanden<br />

und von seiner phlegmatischen, im Laufe der Jahre immer apathischer<br />

und letharger werdenden Männlichkeit nicht befriedigt, hat<br />

sie ihr ganzes Leben ihrem Sohne geopfert. In den beiden ersten Jahrzehnten<br />

seines Lebens hat sie ihn sozusagen auf jedem seiner Schritte<br />

begleitet oder doch beobachtet (16, 16). Im Gegensatz zu der Mehrzahl<br />

der Eltern ihres Jahrhunderts, deren eitle Genußsucht und gedankenlose<br />

Bequemlichkeit der Erziehung Genüge getan zu haben<br />

glaubte, wenn sie die Kinder irgendwelchen Zofen oder Kandidaten<br />

anvertrauten und im übrigen den Schlendrian walten ließen, wie es<br />

gerade kam“ ), hat sie es mit der Erziehung ihres Sohnes so ernst genommen,<br />

daß sie von pädagogischen Verfrühungen und Übertreibungen<br />

nicht freizusprechen ist. Mit ihren festen und strengen Erziehungsgrundsätzen<br />

wollte sie wohl auch bewußt der Verzärtelung entgegenwirken,<br />

der einzelne Kinder so oft anheimfallen, möglicherweise auch,<br />

wie es ihrer resoluten Natur gemäß war, ä la Dr. Eisenbart die all­<br />

gemeine Schwäche bekämpfen, die von einem Sturz <strong>des</strong> kleinen Kin<strong>des</strong><br />

in einen Kessel mit fast siedendem Wasser zurückgeblieben war.<br />

Wahrscheinlich ist es aber auch eine Auswirkung der der Unnatur der<br />

Zopfzeit sich entgegenstemmenden philanthropistischen Pädagogik,<br />

wenn wir lesen, daß sie ihren einzigen Sohn streng hielt, ihn sich luftig<br />

kleiden, hart schlafen und zeitig aufstehen ließ3“). Wenn dazu ein<br />

frisch-frohes, mit den Gleichaltrigen sich messenden Jungenleben in<br />

der freien Natur gekommen wäre, wie es z. B. schon die Norddeutschen<br />

Klopstock und Arndt und die Süddeutschen Schiller und Uhland<br />

genießen durften, dann wäre den Grundsätzen einer vernünftigen und<br />

naturgemäßen Erziehung genug getan gewesen. Doch eine solche ebenso<br />

freie wie vernünftige Auffassung der Erziehung war im Jahrhundert<br />

<strong>des</strong> Zopfes noch eine Seltenheit. In der Regel durften nur die<br />

Söhne <strong>des</strong> Adels die Vorteile einer ausgedehnten körperlichen Betätigung<br />

und Bewegung genießen. Das körperliche Spiel, wie das Spiel<br />

überhaupt, war <strong>für</strong> den rationell-ökonomisch denkenden aufgeklärten

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