Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
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1. Moderne Architektone: Visionen, Bannflüche und »Poesie der Zukunft«<br />
„Ist das ein Blick in den siebenten Höllenkreis Dantes?", fragte sich Charles-Eduard<br />
Jeanneret in der Randnotiz einer Luftaufnahme von Paris und antwortete, „Nein, das<br />
ist die gräßliche Behausung von 100 000 Städtern.... <strong>Die</strong>se Gesamtansicht wirkt wie<br />
ein Keulenschlag. Folgen wir bei unseren Spaziergängen dem Labyrinth der<br />
Straßen, so entzücken sich unsere Augen an der malerischen Welt dieser<br />
verschnörkelten Szenarien, die die Geister der Vergangenheit beschwören ... <strong>Die</strong><br />
Tuberkolose, Demoralisierung, Elend, Schande triumphieren in dieser Hölle." (Le<br />
Corbusier 1929, S. 238).<br />
Für den in der Schweiz geborenen Architekten, der unter dem<br />
angenommenen Namen Le Corbusier bekannt wurde, wuchsen die Großstädte des<br />
angelaufenen 20. Jahrhunderts nicht, sondern verwucherten. „<strong>Die</strong> Unordnung, die<br />
sich in ihnen vervielfältigt, wirkt verletzend: ihre Entartung verwundet unsere<br />
Eigenliebe und kränkt unsere Würde. Sie sind des Zeitalters nicht würdig: Sie sind<br />
unserer nicht würdig", appellierte Le Corbusier in der 1925 publizierten Schrift<br />
»Urbanisme« (ebd., S. VII) an seine Zeitgenossen und forderte, diesem unhaltbaren<br />
Zustand endlich ein Ende zu setzen, und zwar mit radikalen Einschnitten in den<br />
todkranken Stadtorganismus.<br />
Das „Zentrum der Großstadt" und die „schmierigen Gürtel der Vorstädte"<br />
(ebd., S. 83) müßten komplett niedergerissen werden, damit „das ganze Gewimmel,<br />
das sich bisher wie eine starre Kruste am Erdboden festklammerte, nun abgekratzt,<br />
weggeschafft und durch reine Glaskristalle ersetzt wird, die 200 m in die Höhe<br />
steigen, weitab voneinander und an ihren Füßen umspielt von dem Laubwerk der<br />
Bäume" (ebd., S. 236). So entstünde eine „Hochstadt, eine Stadt, die ihre auf dem<br />
Boden zermalmten Einzelteile zusammenrafft und sie fern vom Boden, in Licht und<br />
Luft, zu neuer Ordnung zusammenfügt" (ebd., S. 235). Und in einer solchen Stadt<br />
gäbe es überall „Gärten, Spiel- und Sportplätze. Alles beherrscht der Himmel, weit<br />
und frei" (ebd., S. 144).<br />
Eine solche grüne, lichtdurchflutete Stadt erwiese sich dann nicht nur ihrer<br />
Einwohner und dem neuen Zeitalter würdig, sie wäre auch eine „Quelle der Poesie"<br />
(ebd., S. VII). „Schon in dem Blau der Ferne sich lösend", träumte Le Corbusier,<br />
„erheben die Wolkenkratzer ihre großen geometrischen, ganz aus Glas gebildeten<br />
Flächen. In dem Glase, das ihre Fassaden von oben bis unten bekleidet, leuchtet<br />
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