Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
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gelassen und so ins Innere des Architekturkörpers gezogen, daß sich im Kopf die<br />
Schale zu einer imaginären Vollkugel vergrößert. Auffällig ist ferner, daß in allen drei<br />
Entwürfen selbst die <strong>Kugel</strong>schale nicht mehr räumlich frei liegt, sondern in einer<br />
Richtung durch einen Betonkörper - in den beiden Projekten der Wesnin Brüder<br />
durch eine große Betonwand - abgeschirmt wird.<br />
Ein Beispiel für den Rückzug der <strong>Kugel</strong> auf der Form-Ebene ist der bereits<br />
erwähnte, im WChUTEIN-Atelier Alexander Wesnins 1929 entstandene<br />
Wettbewerbsentwurf Lidija Komarowas zum „Gebäude der Komintern". Ein Vergleich<br />
dieses Projekts mit <strong>Leonidow</strong>s Arbeit bietet sich aus zwei Gründen an. Zum einen,<br />
weil es als Gesamtensemble (Hochaus, <strong>Kugel</strong>, Arbeitstrakt) gewisse Ähnlichkeiten<br />
mit <strong>Leonidow</strong>s Lenin-Institut hat. Zum anderen, weil es im Hinblick auf seine<br />
Funktion (Sitz der Komintern) auch darum ging, architektonisch einen exklusiven<br />
Raum des Wissens zu organisieren. Der Unterschied beider Wissenskugeln springt<br />
dem Betrachter deutlich ins Auge.<br />
In Komarowas Entwurf ist die obere Halbkugel wie mit einem Rasiermesser<br />
völlig plan weggeschnitten. <strong>Die</strong> untere, ein Stück weit in die Erde eingelassene<br />
Hälfte ist in Form überhängender, nach oben hin immer größer werdender<br />
Kreisscheiben ausgebildet, zwischen denen es keine weichen Übergänge gibt und<br />
die dem ganzen Gebilde ein kantiges, stark segmentiertes und hierarchisiertes<br />
Aussehen verleihen. Durch die, diese aufeinander lastenden <strong>Kugel</strong>etagen<br />
rundherum abstützenden Architekturkörper, ist dieser Raum des Wissens fest<br />
arretiert. Vielleicht eine „extreme Kiste", aber keine, in der „Schwindelfrische''<br />
entsteht.<br />
Auf der Materialebene läßt sich der Rückzug der <strong>Kugel</strong> sehr gut an einem<br />
Projekt beobachten, das hinsichtlich seiner räumlichen Gesamtkomposition starke<br />
Ähnlichkeiten mit dem „Synthese-Panorama-Planetarium-Theater" und den beiden<br />
Entwürfen der Gebrüder Wesnin aufweist. Es handelt sich hier um das von Grinberg<br />
und anderen Architekten entworfene und dann auch tatsächlich gebaute „Theater in<br />
Nowosibirsk" (Plan 1931) (Chan-Magomedow 1983, Abb. 1275, 1276). Neben einer,<br />
die <strong>Kugel</strong>schale wieder nach einer Richtung abschirmenden großen Betonmauer<br />
und der käfigartigen Säulenfassade des Gebäudes, ist es hier vor allem die<br />
Oberfläche der Schale, die die Blicke des Betrachters auf sich zieht. Während sie in<br />
den anderen Projekten noch glatt ist, panzert hier eine dicht geschuppte<br />
Ornamentkruste die <strong>Kugel</strong>schale nach außen ab. <strong>Die</strong> Transparenz der <strong>Kugel</strong>haut ist<br />
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