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Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB

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den Turm krönende Denkmalssockel leer, stattdessen steht neben ihm ein Podest,<br />

von dem aus eine vergleichsweise sehr kleine Gallionsfigur auf den Vorplatz des<br />

Gebäudes blickt. <strong>Die</strong> Unterschiede sind eklatant.<br />

Der Turm wirkt wie abgeschnitten, nicht einmal mehr der Stumpf strebt in den<br />

Himmel. <strong>Die</strong> zuvor schon erheblich entsachlichte Wolkenkratzersymbolik bricht hier<br />

vollends in sich zusammen. <strong>Die</strong> amerikanische Sachlichkeit ist bis zur<br />

Unkenntlichkeit versteinert und bleibt nur noch für das an den Vor- beziehungsweise<br />

Alternativentwürfen lofans (Chan-Magomedow 1983, Abb. 710, 1111) geschulte<br />

Auge erkennbar. Der Architekturkörper schließt den Amerikanismus tief in sich ein<br />

und läßt ihn nicht mehr an seine Oberfläche dringen. <strong>Die</strong>, wie ein- oder vieldeutig<br />

auch immer, in der Gestalt Lenins symbolisierte Vereinigung von revolutionärem<br />

Schwung und amerikanischer Sachlichkeit ist in diesem Entwurf architektonisch<br />

aufgegeben. Sie bleibt baulich nur noch in der Nippesfigur als peinliches, im Grunde<br />

störendes, auf jeden Fall schwer entzifferbares Zitat erhalten.<br />

In lofans Monument wird die Verkündungsfunktion der Palast-Architektur<br />

radikal auf ihren harten und eigentlichen Kern reduziert. Das Denkmal verkündet<br />

nicht mehr das von Stalin verformelte Wesen des Leninismus, es verkündet<br />

überhaupt keine Formeln mehr, sondern nur noch eines: Macht, Ordnung und<br />

Selbstgewißheit an sich. Eine Macht, die nicht nur revolutionären Schwung<br />

abbremst, sondern jegliche Bewegung zum Stillstand bringt. Eine Ordnung, die nicht<br />

auf amerikanischer oder sonstiger Sachlichkeit, sondern ausschließlich auf<br />

Stabilisierung und Widerspruchsfreiheit gründet. Eine Selbstgewißheit, die keiner<br />

zukunftsweisenden Verformelungen mehr bedarf, weil ihr die Gegenwart als die<br />

beste aller möglichen Welten gilt.<br />

<strong>Die</strong>se architektonische Verewigung der Gegenwart ist nicht nur die<br />

konsequenteste und sicherste, sondern zugleich auch die bedeutungs-technisch<br />

ökonomischste Form der »Poesie der Vergangenheit«. Durch die Verherrlichung des<br />

Hier und Heute braucht sich der „Zuckerbäckerstil" weder auf die Zukunft noch auf<br />

die Vergangenheit, weder auf das Universum noch auf das Individuum, sondern<br />

immer nur auf sich selbst zu beziehen. Mit diesem Versuch, ein Zeichensystem zu<br />

schaffen, das nicht dem zeitlichen Verschleiß unterliegt, verbarrikadiert der<br />

„Stalinistische Empire" die Gesellschaft architektonisch gegen jegliche bedeutungs-<br />

technische „<strong>Leonidow</strong>erei". Und durch diese Art „mit Zeichen, Bedeutungen,<br />

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