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Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB

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4.3.1. <strong>Die</strong> bedeutungs-technische Barriere: <strong>Die</strong> Monumentalisierung der Bauten<br />

Was zunächst die Bedeutungs-Techniken betrifft, also jene, wie Foucault es<br />

formulierte „Technologien von Zeichensystemen, die es uns gestatten, mit Zeichen,<br />

Bedeutungen, Symbolen oder Sinn umzugehen", kommen die fehlende <strong>Paßfähigkeit</strong><br />

und radikale Querlage des von <strong>Leonidow</strong> entworfenen <strong>Kugel</strong>-Architektons bereits in<br />

dessen äußerer Gestalt eindringlich zum Ausdruck, und zwar in der oben<br />

beschriebenen Raum-Irritation, die die <strong>Kugel</strong>/Gitterkegel-Konstruktion durch die<br />

architektonisch punktgenaue Ausbalancierung der Aufstiegs- und<br />

Verankerungseffekte bei den Menschen hervorruft: Das Auditorium/Planetarium<br />

scheint zu schweben.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Kugel</strong> war ein Symbol und ihr Schweben ein Zeichen. Ein Zeichen,<br />

dessen Bedeutung sich den Menschen geradezu intuitiv erschloß. Der Traum vom<br />

Fliegen ist ein alter Menschheitstraum (Ott-Koptschalijski 1993). Er verband sich<br />

stets mit dem Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, dem Gedanken, die<br />

unsichtbaren Kräfte, die einen an die Erde fesseln überwinden, endlich aufsteigen<br />

und die gewohnte Welt aus einer anderen Perspektive sehen zu können sowie dem<br />

Wunsch, zu neuen, bislang unbekannten Horizonten aufzubrechen. Und als die<br />

Gebrüder Montgolfiere am 4. Juni 1783 mit ihrem Heißluftballon in die Luft<br />

schwebten und über die Erde glitten, signalisierte dies den Menschen, daß die<br />

physikalische und ding-technische Seite ihres Traumes erfüllbar war. Mit der<br />

französischen und der industriellen Revolution wurden <strong>Kugel</strong> und Fesselballon zu<br />

einem Symbol der Hoffnung, daß sich dieser Traum auch in den irdischen<br />

Alltagswelten erfüllen ließ. Von daher hat Vogt zunächst recht, wenn er den<br />

Aufstiegseffekt der Auditorium/Planetarium-Konstruktion hervorhebt. Für ihn bezeugt<br />

diese Konstruktion „eine dezidierte Bodenflucht", sie gilt ihm als<br />

architekturgeschichtliches Muster-, ja Extrembeispiel für die, eine „Architektur der<br />

Hoffnung" charakterisierende „bodenflüchtige Tendenz" (Vogt 1990; 114, 232, 114).<br />

Mit der Hervorhebung des Aufstiegseffektes allein ist jedoch die bedeutungs-<br />

technische Spezifik der <strong>Kugel</strong>-Konstruktion nur einseitig und damit letztlich auch<br />

ungenau erfaßt. <strong>Die</strong> große architektonische Leistung <strong>Leonidow</strong>s gegenüber anderen<br />

Entwürfen, wie etwa Boullées Newton-Denkmal, Ledouxs Friedhof oder dessen<br />

<strong>Kugel</strong>haus bestand nicht darin, eine bodenflüchtige Tendenz ins Extrem getrieben,<br />

sondern Bodenhaftung und Bodenflucht mit äußerster Präzision so ausbalanciert zu<br />

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