Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
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gleichermaßen engagiert und initiativreich vorangetriebene Zellenbekunstung,<br />
genutzt. Der in der Palastzelle erlittene eklatante Raumverlust zwang die meisten<br />
Menschen sich auf „Prothesen der Raumbewältigung" (Kühne 1985, S. 175) zu<br />
stützen. Drei Prothesen verliehen dem Schmerz der Raumamputation besonders<br />
eindringlich Ausdruck.<br />
<strong>Die</strong> erste Prothese war das Zitieren von Naturräumen. Von »oben« und<br />
außen wurden die Fassaden der Gebäude mit Landschaftsgemälden oder<br />
Tierdarstellungen bebildert, wie beispielsweise ein Wohnhaus in Leipzig mit der<br />
Malerei „Volkssport" von Thomas Liebscher (IX. Kunstausstellung 1982/83, S. 136),<br />
oder ein Kindergarten in Marzahn mit der Zeichnung „Tiere der Mark" von Horst<br />
Göhler (IX. Kunstausstellung 1982/83, S. 132). Von »unten« und innen beklebten<br />
die Bewohner die Wände ihrer Zellen mit Landschaftstapeten, auf denen zumeist<br />
Wälder, Wiesen oder Wasserfälle dargestellt waren.<br />
<strong>Die</strong> zweite Prothese war das Zitieren von Raumweite. Auf der Außenhaut<br />
wurden den Architektonen Wandbilder wie etwa „Reflexion" von Lutz Brandt (IX.<br />
Kunstausstellung 1982/83, S. 136), „Phantastische Welt von morgen" von Siegfried<br />
Schütze und Bernd Martin (IX. Kunstausstellung 1982/83, S. 131) oder<br />
„Straßenbahn" von Lothar Scholz (X. Kunstausstellung 1987/88, S. 210)<br />
auftätowiert, die Raumperspektive und Raumgröße simulierten. In den Baikonen der<br />
Neubaublöcke ließen die Einwohner kein Mittel unversucht, um die<br />
Wohnzellenvorsprünge optisch zu Veranden hochzustylen.<br />
<strong>Die</strong> dritte Prothese schließlich war das Zitieren von Palastigkeit. „Wo dem<br />
Individuum harmonischer Raum versagt ist", schrieb Lothar Kühne, „weicht es in die<br />
Gegenständlichkeit aus und diese blüht paradiesisch auf (Kühne 1985, S. 175). Der<br />
erhoffte Palast schrumpfte auf Schließfach-Größe zusammen und die<br />
Inneneinrichtung sollte den Raumverlust kompensieren. Der Einsatz ausladender<br />
Schrank- und Sitzmöbel stieß selbstredend schnell an Grenzen. Wo diese erreicht<br />
und überschritten waren, mußte auf kleinere Gegenstände zurückgegrifffen werden,<br />
beispielsweise auf Gläser mit fürstlichem Schliff und Dekor, die in der Vitrine der<br />
Schrankwand ausgestellt wurden. Auch hier arbeiteten die kleinen Leute »oben«<br />
und »unten« Hand in Hand. In einer Besprechung des nichtornamentierten<br />
Preßglassortiments »EUROPA« wies Dagmar Lüder 1975 darauf hin, „daß es ein<br />
Preßglas wie EUROPA für den Binnenhandel nicht gibt, daß zur Zeit überhaupt kein<br />
undekoriertes und ungeschliffenes Glas angeboten wird" (Lüder 1975, S. 13).<br />
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