Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Sowohl die Konstruktion selbst als auch deren räumliche Lage unterstützen<br />
wesentliche Momente menschlicher Wissensaneignung und Bewußtwerdung,<br />
nämlich den (Selbst-)Zweifel, das Infragestellen scheinbar endgültiger Wahrheiten<br />
und das Nachdenken über die Fundamente, in denen das eigene und das kollektive<br />
Wissen verankert sind. <strong>Die</strong> <strong>Kugel</strong> ermöglicht Reflexion. Mehr noch, sie ist in ihr<br />
architektonisch eingeschrieben, sie verkörpert Reflexion. <strong>Leonidow</strong>s Architekton<br />
erzeugt Reflexion durch das Zusammenspiel folgender vier Irritationen.<br />
Erstens, die Material-Irritation: <strong>Leonidow</strong> verwendet bei seinem<br />
<strong>Kugel</strong>/Gitterkegel ausschließlich Glas und Metall. Beide Materialien haben die<br />
Fähigkeit zum Reflex, das heißt, sie können auftreffendes Licht spiegelartig<br />
zurückwerfen. Glas besitzt darüber hinaus noch die Eigenschaft der Transparenz, es<br />
läßt auch Licht hindurchtreten. Der obere Teil der <strong>Kugel</strong> hat mithin eine<br />
Doppeleigenschaft, er ist transparent und/oder reflektierend zugleich.<br />
Zweitens, die Form-Irritation: <strong>Die</strong>ser zunächst auf der Materialebene ins Spiel<br />
gebrachte Effekt der Mehrfachreflexion wird durch die Formgebung potenziert. Der<br />
extreme Regularkörper <strong>Kugel</strong> vermag Licht - man denke etwa nur an Diskotheken -<br />
in höchst irregulärer Art und Weise zu reflektieren. Aber auch der Metallgitterkegel,<br />
durch den Lichtstrahlen von allen Seiten hindurchtreten können, erzeugt einen -<br />
auch teilweise sehr diffusen - Brechungs- und Spiegelungsraum.<br />
Drittens, die Natur-Irritation: <strong>Die</strong>ser potenzierte Reflexionseffekt des<br />
<strong>Kugel</strong>konstrukts wird nun aufgrund seiner freistehenden Lage innerhalb des<br />
Gesamtensembles durch die jeweilige Jahres- und Tageszeit sowie die gerade<br />
vorherrschende Witterung nochmals verstärkt. Strömender Regen oder gleißender<br />
Sonnenschein verändern die Szenerie ebenso wie zartes Grün oder frisch gefallener<br />
Schnee.<br />
Viertens schließlich, und das ist das wohl sensibelste Problem des gesamten<br />
Projektentwurfs, die Raum-Irritation: <strong>Die</strong> <strong>Kugel</strong> ruht nicht einfach in dem Gitterkegel<br />
wie ein Ei in seinem Becher, sie scheint zu schweben. Optisch wird dieser Eindruck<br />
durch zwei gegensinnige, architektonisch punktgenau ausbalancierte Effekte<br />
erzeugt. Einerseits sieht es so aus, als hebe die <strong>Kugel</strong> jeden Augenblick ab und<br />
steige in die Lüfte, denn die meridianförmigen Verstrebungen der Oberkugel, das<br />
Gitternetz des Kegels und die Stahlseilverspannungen der Gesamtkonstruktion<br />
verleihen dem Ganzen etwas Fesselballonartiges. Andererseits wird sie durch ihre<br />
tief im Erdreich verankerte Seilverspannung fest auf ihrem Platz gehalten. Und da<br />
21