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Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB

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auf die Verdrängung des <strong>Kugel</strong>-Architektons beschränkt, sondern ging weit darüber<br />

hinaus.<br />

Der Ort, den <strong>Leonidow</strong> für sein Lenin-Institut vorgesehen hatte, nämlich die<br />

Leninberge, wurde architektonisch besetzt. Dort entstand von 1948 bis 1952 die<br />

»Lomonossow-Universität« (Major 1984, Abb. 469). <strong>Die</strong>ser von Lew Rudnjew, Sergej<br />

Tschernyschew, Pawel Abrossimow und anderen Architekten entworfene, um einen<br />

zentralen Turmbau symmetrisch gruppierte Gebäudekomplex erstreckt sich bis zu<br />

450 Metern in die Breite und erreicht eine Höhe von 240 Metern. Er gilt als ein<br />

Paradebeispiel des „stalinistischen Empire".<br />

Eine Lenin-Bibliothek wurde tatsächlich gebaut, und zwar von 1928 bis 1941,<br />

nach einem Projekt von Stschuko und Helfreich (Major 1984, S. 465). „<strong>Die</strong> niedrige,<br />

durch einfache Wandpfeiler vertikal betonte Hauptmasse", schreibt Mate Major,<br />

„wurde mit edlen Materialien verkleidet und erhielt durch eine Statuenreihe einen<br />

wirkungsvollen oberen Abschluß." Und weiter, „... der schlichte hohe Kubus des<br />

Lesesaals fügt sich in das städtebauliche Ensemble zwischen Kreml und Paschkow-<br />

Haus mit ihren reicheren Formen gut ein" (Major 1984, S. 493).<br />

<strong>Die</strong> Idee, der kollektiven Wissensproduktion ihr gemäße besondere Räume<br />

zu schaffen, wurde zwar bei der Lomonossow-Universität und der Lenin-Bibliothek<br />

konsequent in die Tat umgesetzt, aber in einer <strong>Leonidow</strong>s Intentionen direkt<br />

entgegengesetzten architektonischen Poetik. Deutlicher noch als bei diesen beiden<br />

Bauten zeigt sich dies bei der von 1932 bis 1937 gebauten und von Rudnjew und<br />

Munz entworfenen »Frunse-Akademie in Moskau« (Major 1984, Abb. 76). <strong>Die</strong> hier im<br />

Innern des Gebäudes herrschende Raumdisziplin präsentiert sich unmißverständlich<br />

bereits in dessen äußerer Erscheinung. <strong>Die</strong> Fensterzellen des von einer dicken,<br />

mehr als 10 Meter hohen Betonmauer eingeschlossenen mächtigen<br />

Akademiequaders sind nicht nur alle exakt gleich groß, sondern rechtwinkelig und<br />

millimetergenau in Reih und Glied ausgerichtet. Wenn diese Kasernenfronten<br />

überhaupt zu etwas einladen, dann zu eiserner militärischer Disziplin. Wenn sie<br />

einen Rhythmus ausstrahlen, dann den des Gleich- und Stechschritts. Der<br />

Betrachter nimmt Haltung an - oder senkt den Blick. Nein, die zu jener Zeit so viel<br />

geschmähte „<strong>Leonidow</strong>erei" läßt sich diesem Raum des Wissens gewiß nicht<br />

nachsagen.<br />

Bliebe schließlich noch nachzutragen, daß <strong>Leonidow</strong>s Projekt in einer Phase,<br />

in der der Sozialismus sich vom Stalinismus und dessen architektonischen Empire<br />

zu verabschieden suchte, in einer postfunktionalistischen Art und Weise (Knie/März<br />

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