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Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB

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Bei der Projektierung des Antennenmastes hatte der Meisterschüler der<br />

WChUTEMAS 1927 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mehr im Auge,<br />

als nur den Empfang beziehungsweise die Ausstrahlung von Rundfunksendungen.<br />

In einer Notiz über seinen Entwurf für ein Kolumbusdenkmal in Santo Domingo aus<br />

dem Jahre 1929 spricht <strong>Leonidow</strong> mit einer großen Selbstverständlichkeit mehrfach<br />

über das „Lichtbild aus der Ferne", und zwar im Sinne einer interkontinentalen,<br />

weltumspannenden Fernsehtechnik, und er formuliert dort auch das „Ziel, die<br />

Probleme der interplanetarischen Verbindungen mit Hilfe der neuesten<br />

Errungenschaften von Wissenschaft und Technik zu lösen" (<strong>Leonidow</strong> 1929c, S.<br />

148). Sein Raum des Wissens war perspektivisch über die Grenzen des Landes in<br />

die Welt, und weit darüber hinaus in das All geöffnet. Der Antennenmast sollte die<br />

Kommunikation zwischen allen Menschen des Universums nicht nur metaphorisch<br />

verkünden, sondern technisch ermöglichen.<br />

Darüber hinaus hatte der Funkmast auch eine symbolische Bedeutung.<br />

Zunächst war sicherlich, worauf Lothar Kühne hinwies, „Das «Völker hört die<br />

Signale»" durch die Antennen-Konstruktion „architektonisch phrasenlos objektiviert"<br />

(Kühne 1981, S. 153). Doch vieles spricht dafür, daß es dem »Poeten der reinen<br />

Form« auch auf der symbolischen Ebene um weit mehr ging, als um das bloße<br />

Intonieren der »Internationale«. Angesichts der universellen Perspektive <strong>Leonidow</strong>s<br />

läßt sich sein Antennenmast auch als eine Art universelle Schnittstelle zur sozialen<br />

Raum-Zeit interpretieren.<br />

Während im Bücherturm Daten aus der Vergangenheit abgespeichert werden,<br />

ist der Mast zunächst eine Art Input/Output-Schnittstelle zu regionalen, nationalen<br />

und globalen Sozialräumen, über die im Echtzeitbetrieb mit anderen Menschen<br />

kommuniziert werden kann und über die sich auch solche im Institut selbst nicht<br />

vorhandenen Daten aus der Vergangenheit und Gegenwart beschaffen lassen.<br />

Sodann manifestiert sich in diesem Kommunikations-Architekton - Stichwort<br />

„interplanetare Verbindungen" und Relativitätstheorie - auch der Anspruch, Signale<br />

in die Zukunft kosmischer Sozialräume zu senden beziehungsweise solche Signale<br />

aus deren Vergangenheit zu empfangen. So gesehen symbolisiert dieses Element<br />

des Ensembles eine dreifache Schnittstelle und zwar zur Vergangenheit, Gegenwart<br />

und Zukunft, mithin zu den Sozialzeiten der Menschen.<br />

Wie weit <strong>Leonidow</strong>s Raum des bewußten Seins und Werdens auch noch in<br />

einer anderen Richtung in die Zukunft geöffnet war, zeigt seine <strong>Kugel</strong>-Konstruktion.<br />

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