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Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB

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historische Leistung respektieren" (ebd.) schlug er vor, sie unter Denkmalsschutz zu<br />

stellen. Zum Beispiel die Alexanderstraße. „<strong>Die</strong> frei gestaffelten Giebel der vier<br />

schlichten Wohnscheiben dort bringen das Stadtideal der Moderne von »Licht, Luft<br />

und Sonne« so symbolhaft zum Ausdruck, daß man sich fragt, warum ihnen nicht<br />

längst der gleiche Denkmalswert zugemessen wird wie den überladenen<br />

Triumpharchitekturen der frühen Stalinallee." (ebd.) Der Kompromißvorschlag<br />

könnte Schule machen: In den kleinen Mausoleen der Moderne kann die Palast-<br />

Poesie ihren Erinnerungen fröhnen, während nebenan die Dorf-Poetiker in ihren<br />

imaginierten frühmittelalterlichen Siedlungen lustwandeln.<br />

Während die beiden deutschen Poesien der Vergangenheit in der Mitte der<br />

Mitte Deutschlands hart aufeinander prallten, weil sich hier ihre Geschichten<br />

wechselseitig im Wege stehen, ließ sich eine der Ursachen, die dafür verantwortlich<br />

zeichneten, nämlich die Mauer, dazu benutzen, dem Beziehungsobjekt aller<br />

Deutschen an seinen Rändern klare Konturen zu verleihen und es vor<br />

Ausfransungen zu schützen. Berlin war nämlich in den letzten Jahrzehnten nicht nur<br />

in der Mitte geteilt, sondern auch zu einem gut Teil ummauert. Und mit diesem Pfund<br />

ließ sich in der Städtekonkurrenz wuchern, denn der Hauptort der Deutschen hat<br />

gegenüber anderen deutschen Neben- und europäischen Hauptorten den Vorzug<br />

„eine klar definierte Stadtkante zu besitzen: ein wertvolles Pfand, das keine andere<br />

europäische Metropole aufweist. Es hat nicht nur ökologische Vorteile. Städtisches<br />

Leben wird intensiver und die vielbeschworene großstädtische Lebensweise erhält<br />

eine reale Grundlage" (Strieder 1997). Und auch diese Mauer-Poesie hatte eine<br />

reale Grundlage, nämlich den von manchen Ost- und West-Deutschen gehegten<br />

„Wunsch, daß die Mauer besser stehengeblieben wäre" (Hoffmann-Axthelm/Albers<br />

1996b) und die sich darum rankenden Erinnerungen an die guten alten Zeiten, wo<br />

die Welten hüben und drüben noch in Ordnung waren.<br />

In der Mitte Deutschlands entwickelten die verschiedenen deutschen Poetiken<br />

der Vergangenheit eine ganz eigentümliche gemeinsame Symbolkraft. In der Mitte<br />

der Mitte ließ die Dorf-Poesie die alten Zollmauern wieder auferstehen, während<br />

sich die Palast-Poesie in die Sarkophage der Moderne einzumauern gedachte. Und<br />

an den Rändern der Mitte zog die Mauer-Poesie den antifaschistischen Schutzwall<br />

respektive den eisernen Vorhang wieder hoch.<br />

Wer sich in diesen symbolischen Verbarrikadierungen der deutschen Poesien<br />

der Vergangenheit nicht heimisch fühlt und wen die Kulturkämpfe der Mitte<br />

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