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Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB

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damit ebenso unzweideutig wie unwiderruflich beseitigt. Das Ornament versiegelt<br />

die <strong>Kugel</strong> lichtdicht und frißt sich in sie hinein.<br />

Während sich in solchen einzelnen, wenn auch nicht vereinzelten<br />

architektonischen Signalen die Verdrängung der „<strong>Leonidow</strong>erei" durch den<br />

„Zuckerbäckerstil" in einer behutsamen und vielfach avantgardistischen Sprache<br />

ankündigte, in der sich die Eigentümlichkeit des „stalinistischen Empire" noch nicht<br />

klar ausdrückte, wurden die baulichen und räumlichen Beschwörungen einer „Kultur<br />

der Vergangenheit" in einem der wichtigsten sowjetischen Architekturwettbewerbe<br />

dieser Zeit, und zwar dem „Wettbewerb um den Palast der Sowjets", zunehmend<br />

unüberhörbarer und unübersehbarer.<br />

<strong>Die</strong>ser Wettbewerb, der in insgesamt vier Durchgängen von 1931 bis 1933<br />

stattfand, nahm „einen besonderen Platz innerhalb der Entwicklung eines neuen<br />

Typs des Regierungsgebäudes ein, innerhalb der Versuche, einen künstlerischen<br />

Ausdruck für das «Oberste Gebäude» des Landes zu finden, und innerhalb des<br />

Werdegangs der sowjetischen Architektur überhaupt" (Chan-Magomedow 1983, S.<br />

403). An diesem Wettkampf beteiligte sich eine Vielzahl von Architekten. Allein im<br />

zweiten, dem offenen Wettbewerbsdurchgang, an dem beispielsweise auch Walter<br />

Gropius und Le Corbusier teilnahmen, wurden hundertsechzig Entwürfe aus<br />

vierundzwanzig Ländern eingereicht. Unter diesen Projekten gab es auch viele, in<br />

denen das <strong>Kugel</strong>motiv auftauchte.<br />

Eine Arbeit ist dabei zunächst von besonderem Interesse, weil sie dieses<br />

Motiv auf sehr eindringliche Weise hervorhebt und insgesamt wohl auch aus dem<br />

Rahmen fällt. Es ist der Entwurf eines anonym gebliebenen Arbeiters, in dem es<br />

neben einem Turm mit Sowjetstern eine große, schräg gestellte <strong>Kugel</strong> gibt, auf der<br />

sich deutlich Kontinente und Meridiane abzeichnen und die unzweifelhaft die Erde<br />

symbolisieren soll (Vogt 1990, S. 211). Aber es sind auch international renommierte<br />

Architekten, wie etwa Erich Mendelsohn und Le Corbusier, die sich in ihren<br />

Projekten des <strong>Kugel</strong>motivs bedienten, und in eine ähnliche symbolische Richtung<br />

zielten, wie der unbekannte Arbeiter (Vogt 1990, S. 201f). Darüber hinaus brachten<br />

schließlich eine ganze Reihe anerkannter sowjetischer Architekten mit ihren<br />

Entwürfen die <strong>Kugel</strong> ins Spiel. In diesen Arbeiten zeigte sich deutlich, wie das<br />

<strong>Kugel</strong>motiv, auch, ja gerade dort, wo es architektonisch zentral gesetzt ist, in einem<br />

Rückzug begriffen war, der zunehmend zu einer <strong>Kugel</strong>-Flucht wurde.<br />

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