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Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB

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Naturraum okkupiert, sondern ihn mit ihren bodenversiegelnden Umplatzungen<br />

zerschneidet und abtötet, öffnet sich die Instituts-Konstruktion in vierfacher Hinsicht<br />

der Natur: erstens durch die große architektonische Behutsamkeit gegenüber der<br />

Erde; zweitens durch den Standort, die Lenin-Berge, von denen aus sich eine weite<br />

Sicht in die Landschaft eröffnet, besonders, wenn sich der Einzelne im Bücherturm<br />

befindet und sein Blick von den Schriften aus dem Fenster in die Ferne gleitet;<br />

drittens durch die flachen Hörsäle, Lese-, Arbeits- und Seminarräume, von denen<br />

aus die Menschen mit wenigen Schritten ins Freie gelangen; und schließlich viertens<br />

durch das Auditorium/Planetarium, das sich dem Universum öffnet. All dies<br />

ermöglicht es dem Einzelnen in der Tat, einen gewissen Zustand des Glücks, der<br />

Reinheit, der Weisheit, der Vollkommenheit oder der Unsterblichkeit zu erlangen.<br />

Allerdings halten weder das Gesamtensemble noch seine einzelnen Elemente<br />

irgendeine architektonische Anweisung bereit, wie und in welcher Richtung die<br />

Menschen diesen ihnen zur Verfügung stehenden selbst-<strong>technischen</strong><br />

Möglichkeitsraum nutzen sollen. Mehr noch, wer auf der Suche nach solchen<br />

Anweisungen ist, sieht sich nicht nur enttäuscht, sondern auch sanft aber<br />

konsequent umgelenkt, weil ihn <strong>Leonidow</strong>s Architekton immer wieder zurück auf sich<br />

selbst und andere Menschen verweist. <strong>Die</strong> Material-, Form-, Natur- und Raum-<br />

Irritation der <strong>Kugel</strong>/Gitterkegel-Konstruktion, die Umkehrung und Auflösung der<br />

Achse der vertikalen Arbeitsteilung im Auditorium/Planetarium, die Tatsache, das die<br />

administrativen Gebäude dem Gesamtensembel unter- und in die x-Achsen-<br />

Architektone eingeordnet sind, all dies und vieles mehr verschiebt die Suche nach<br />

den Nutzungsformen des selbst-<strong>technischen</strong> Möglichkeitsraumes weg von den<br />

Bauten und hin zu den Menschen.<br />

Selbst der Außenhaut der Architektone sind keine selbst-<strong>technischen</strong><br />

Unterweisungen abzulesen. Nirgendwo gibt es auch nur den leisesten Aufschein<br />

einer Ornamentik. <strong>Die</strong> Baukörper sind schmutzkrustenfrei. Bis in ihre Oberfläche<br />

hinein weigert sich die Instituts-Konstruktion des „Poeten der reinen Form" den<br />

Menschen eine bestimmte Nutzung der bereitgestellten Möglichkeitsräume<br />

vorzuschreiben oder gar aufzunötigen. <strong>Die</strong>se Weigerung kann - und muß unter<br />

bestimmten selbst-<strong>technischen</strong> Verhältnissen - leicht als Verweigerung empfunden<br />

werden. Da auch hier die Entscheidungsfreiheit für die Menschen nicht nur eine<br />

Lust, sondern immer auch eine Last ist, fühlen sie sich, wenn diese Last Überhand<br />

nimmt, von der Architektur abgewiesen und allein gelassen. <strong>Die</strong> funktionale<br />

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