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Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB

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die sich in immer wieder wechselnde Gewänder hüllen, den Menschen den Blick auf<br />

mögliche Zukünfte architektonisch zu verstellen.<br />

Und auch auf der dritten Bezugsebene, nämlich bei dem Vergleich dieser<br />

Profile mit dem herrschenden Stand der Technik, wird ihre Gegensätzlichkeit schnell<br />

erkennbar. Im Hinblick auf den herrschenden Stand der Ding-Techniken war<br />

<strong>Leonidow</strong>s Instituts-Projekt hundertprozentig paßfähig. <strong>Die</strong> Entwürfe der Palast-<br />

Architektur besaßen keine größere, sondern eher eine geringere ding-technische<br />

<strong>Paßfähigkeit</strong>. In bezug auf den herrschenden Stand der Bedeutungs-, Macht- und<br />

Selbst-Techniken allerdings war <strong>Leonidow</strong>s Projekt Ende der 20er/Anfang der 30er<br />

Jahre zunehmend weniger und schließlich überhaupt nicht mehr paßfähig,<br />

wohingegen sich die bedeutungs-, macht- und selbst-technische <strong>Paßfähigkeit</strong> der<br />

Palast-Architektur Zug um Zug erhöhte, bis sie mit dem herrschenden Stand dieser<br />

Techniken vollständig kompatibel war.<br />

5.2. <strong>Die</strong> Spezifik: Funktionalismus und Antifunktionalismus<br />

Es wäre jedoch entschieden zu kurz gegriffen, diesen herrschenden Stand der<br />

Bedeutungs-, Macht- und Selbst-Techniken nur in der Sowjetunion zu verorten. Er<br />

bildete sich nämlich am Ende eines Prozesses heraus, der auch als „erste Krise der<br />

Moderne" (Wagner 1995, S. 71) beschrieben wird und der raum-zeitlich weit über<br />

die Sowjetunion hinausreichte. In dieser Krise vollzog sich der Übergang von der<br />

klassisch liberalen zur organisierten Moderne (Wagner 1995, S. 71ff.).<br />

<strong>Die</strong> Versuche, die liberale Utopie, so, wie sie urprünglich konzipiert war, in die<br />

Tat umzusetzen, führte zu zwiespältigen Resultaten. Einerseits setzten die<br />

ökonomischen, politischen und sonstigen »invisible hands« des Liberalismus eine<br />

hohe soziale Entwicklungsdynamik in Gang. Andererseits drohten die Menschen<br />

dieser Dynamik nicht mehr Herr zu werden. Der Aufbruch in eine neue soziale Welt<br />

schien im Zusammenbruch jedweder sozialen Welt zu enden. Es schwand die<br />

Hoffnung, daß die »invisible hands« die Gesellschaft automatisch stabilisieren und<br />

harmonisieren würden, wenn man sie nur gewähren ließe und ihnen ausreichend<br />

Raum verschaffte. Stattdessen wuchs die Überzeugung, daß sich die Ordnung des<br />

Sozialen nicht von selbst einstellt, sondern hergestellt, erarbeitet, kurzum organisiert<br />

werden mußte, und zwar bedeutungs-, macht- und selbst-technisch.<br />

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