Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
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Abstract<br />
1927 legte der junge Architekt Iwan lljitsch <strong>Leonidow</strong> in Moskau eine Diplomarbeit vor,<br />
die sowohl in der Sowjetunion als auch in Westeuropa starke Beachtung fand. Bei<br />
dieser Diplomarbeit handelte es sich um einen Instituts-Entwurf, der eine Strömung der<br />
sowjetischen und westeuropäischen Avantgarde-Architektur, nämlich den menschzentrierten<br />
Funktionalismus, auf paradigmatische Art und Weise verkörperte. <strong>Leonidow</strong><br />
war einer der konsequentesten Vertreter dieses Funktionalismus. Nach einer ebenso<br />
steilen wie kurzen Karriere wurde die „<strong>Leonidow</strong>erei" alsbald vom „Zuckerbäckerstil"<br />
verdrängt und fiel weitestgehend der Vergessenheit anheim. <strong>Die</strong> „<strong>Leonidow</strong>-<strong>Kugel</strong>" ist<br />
der Versuch, diesen Verdrängungsprozeß aus einem Blickwinkel zu untersuchen, in<br />
dem eine historisch-soziologische und eine technik-soziologische Perspektive<br />
miteinander verbunden werden. <strong>Die</strong> historisch-soziologische Perspektive stützt sich auf<br />
Peter Wagners Theorie der organisierten Moderne, speziell der dort vorgenommenen<br />
Ortsbestimmung des Sozialismus. Der technik-soziologischen Perspektive liegt eine<br />
bislang wenig beachtete forschungsprogrammatische Skizze Michel Foucaults<br />
zugrunde, in der dieser zwischen Ding-, Bedeutungs-, Macht- und Selbst-Techniken<br />
unterscheidet. Betrachtet man die „<strong>Leonidow</strong>erei" vor dem Hintergrund der<br />
Herausbildung der organisierten Moderne und aus der von Foucault angeregten Sicht,<br />
zeigt sich zum einen, daß die Verdrängung des mensch-zentrierten Funktionalismus<br />
keine ding-<strong>technischen</strong>, sondern bedeutungs-, macht- und selbst-technische Ursachen<br />
hatte. Zum anderen ist zu vermuten, daß diese Verdrängung nicht auf den Sozialismus<br />
beschränkt blieb, sondern auch in den westlichen Gesellschaften der organisierten<br />
Moderne nachhaltig Raum griff. <strong>Die</strong>ser Vermutung wird in dem Essay „Poesie der<br />
Vergangenheit" nachgegangen, das dem Anlauf der Berliner »Masterplan«-Debatte<br />
gewidmet ist.<br />
Abstract<br />
In 1927 the young architect Ivan lljitsch Leonidov in Moscow presented a master's<br />
thesis which received a great deal of attention both in the Soviet Union and in Western<br />
Europe. This master's thesis was a design for an institute which embodied an essential<br />
feature of the Soviet and Western European avant-garde architecture namely the<br />
people-centered functionalism. Leonidov was one of the most consistent<br />
representatives of this functionalism. After a steep and short career the "Leonidoverei"<br />
was replaced by the "confectioner style". The paper "Leonidov ball" is an attempt to<br />
examine this process by linking a historical-sociological with a technologicalsociological<br />
perspective. The historical-sociological perspective is based on Peter<br />
Wagner's theory of organized modernity and the characterization of the socialism in<br />
this theory. The technological-sociological perspective is based on a research<br />
programm outlined by Michel Foucault in which he distinguishes between thing-,<br />
meaning-, power- and self-techniques. If one looks at the "Leonidoverei" in light of the<br />
genesis of organized modernity and of Foucault's approach, it becomes clear that the<br />
displacement of the people-centered functionalism had meaning-, power- and selftechnical,<br />
but definitely not thing-technical causes. Furthermore, it appears that this<br />
displacement was not confined to socialism but took place also in the western societies<br />
of organized modernity. This assumption is examined in the essay "Poetry of the past<br />
which explores the beginning of the Berlin "masterplan"-debate.