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Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB

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und in den Alltagswelten zunehmend eine konkrete Gestalt an, die dann später als<br />

„Zuckerbäckerstil" oder „stalinistischer Empire" (Chan-Magomedow 1995, S. 209) in<br />

die Architekturgeschichte einging. <strong>Die</strong> Verdrängung der „<strong>Leonidow</strong>erei" durch den<br />

„Zuckerbäckerstil" kam in der Verdrängung des <strong>Kugel</strong>-Architektons sehr anschaulich<br />

zum Ausdruck. <strong>Die</strong> tragische Ambivalenz dieses Verdrängungsprozesses bestand<br />

darin, daß er der Architektur-Avantgarde nicht nur über politische, ideologische und<br />

professionelle Zwänge aufgenötigt, sondern von ihr selbst entscheidend und<br />

einfallsreich vorangetrieben wurde. Sie setzte sich an die Spitze eines Prozesses,<br />

dem sie schließlich selbst zum Opfer fiel.<br />

Neben einigen bereits erwähnten Projekten, in denen vor, neben und nach<br />

<strong>Leonidow</strong>s Instituts-Konstruktion das <strong>Kugel</strong>motiv aufgenommen wurde, um es<br />

architektonisch zu entfalten, gab es andere Entwürfe, in denen dieses Motiv zwar<br />

auch auftauchte, bei deren Betrachtung sich jedoch das Gefühl einstellt, sie<br />

signalisierten nicht mehr den architektonischen Vor-, sondern Rückmarsch des<br />

<strong>Kugel</strong>-Architektons. <strong>Die</strong>ser Rückmarsch erfolgte auf drei Wegen, nämlich auf der<br />

Raum-, der Form- und der Materialebene.<br />

Den Rückzug auf der Raumebene machen drei Projekte exemplarisch<br />

deutlich, und zwar zwei Entwürfe der Gebrüder Alexander und Leonid Wesnin, die<br />

beide am WChUTEMAS lehrten und von 1923 bis 1933 „als die anerkannten Führer<br />

der neuen Richtung in der sowjetischen Architektur" (Chan-Magomedow 1983, S.<br />

155) galten und eine Arbeit von Alexander Grinberg, einem Mitglied der ARU, der<br />

„Assoziation der Architekten-Urbanisten". Im einzelnen handelt es sich dabei um den<br />

"Kulturpalast des Proletarischen Bezirks in Moskau" (1931), das "Theater<br />

musikalischer Massenvorführungen in Charkow" (1930-1931) und das "Synthese-<br />

Panorama-Planetarium-Theater in Nowosibirsk" (1931) (Chan-Magomedow 1983,<br />

Abb. 1243, 1266, 1274).<br />

Während bei <strong>Leonidow</strong> die Auditoriumskonstruktion räumlich vollständig frei<br />

steht und selbst der im Gittertrichter liegende kleinere Teil der <strong>Kugel</strong> immer noch<br />

sichtbar bleibt, sind hier die riesigen Veranstaltungskugeln tief in die Betonkörper<br />

und teilweise auch die Erde versenkt. Nicht nur die Größe, Geometrie und zentrale<br />

Lage sowie das Ebenmaß der sich aus diesen Steinsärgen quälenden<br />

<strong>Kugel</strong>schalen, sondern auch die Kreisförmigkeit dieser Sarkophage selbst, nötigt<br />

dem Betrachter eine solche Perspektive geradezu auf. Der am Bauwerk hin und her<br />

gleitende Blick wird immer wieder von der <strong>Kugel</strong>schale festgehalten, nicht mehr los<br />

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