Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Arbeit der Architekten mußte aus seiner Sicht „geschlossen organisiert werden"<br />
(<strong>Leonidow</strong> 1930, S. 1), um das Problem der Gesellschaftsgestaltung an der Wurzel<br />
zu packen. „<strong>Die</strong> Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst." (Marx 1974b,<br />
S. 385). An ihm und dessen Alltagspraxen sollten die Architekten ansetzen. Das war<br />
der archimedische Punkt, von dem aus die soziale Welt aus den Angeln gehoben<br />
und von grundauf umorganisiert werden sollte. Und zwar mit naturwissenschaftlicher<br />
Akribie und ingenieurtechnischem Geschick.<br />
<strong>Leonidow</strong>s Entwürfe bauten auf die Moderne und den neuen Menschen. Mit<br />
einer logischen Konsequenz und ästhetischen Formenvielfalt, die ihres Gleichen<br />
sucht, waren sie aus den Menschen heraus und in diese hinein projektiert. Seine<br />
Bauten sollten der „Organisierung ihres Bewußtseins", und zwar „ihres Bewußtseins<br />
überhaupt" (<strong>Leonidow</strong> 1929a, S. 111) dienen. Aus diesen grundsätzlichen<br />
Überlegungen heraus stellte sich für <strong>Leonidow</strong> die Frage, wie ein modernes<br />
Architekton konstruiert sein muß, das genau dies leistet. <strong>Die</strong> poetische Antwort, die<br />
er darauf gab, war sein Entwurf des Lenin-Instituts.<br />
2.2. Das Architekton: Gesamtensemble und <strong>Kugel</strong>projekt<br />
Das Lenin-Institut sollte die geplante Zentralbibliothek des Landes beherbergen.<br />
Allein mit Blick auf die Alphabetisierungsprobleme einerseits und die<br />
kulturrevolutionären Ansprüche sowie die daraus abgeleiteten bildungspolitischen<br />
Ziele andererseits lag es auf der Hand, daß es bei diesem Projekt von Anfang an um<br />
erheblich mehr ging als die bloße Einhausung einer x-beliebigen<br />
Foliantensammlung. Hier war kein Bücherspeicher zu projektieren, sondern ein<br />
programmatischer Raum des Wissens, ein Raum des Bewußtseins, ein Raum des<br />
bewußten Seins und Werdens, der sich weit in die Zukunft öffnet. <strong>Leonidow</strong> löste<br />
diese Aufgabe so (Chan-Magomedow 1983, Abb. 597-603, S. 234f.; Vogt 1990, S.<br />
93ff, 204ff.; Major 1984, S. 481f.):<br />
Das streng funktional gegliederte Gesamtensemble sollte nahe der südlichen<br />
Moskwa auf den Lenin-Bergen errichtet werden, von wo aus sich ein weiter Blick auf<br />
die Stadt eröffnet. Es besteht aus fünf Hauptelementen, die eine Art doppeltes<br />
Koordinatensystem mit Kontrapunkt bilden. Es gibt zwei y-Achsen: zum einen den für<br />
die Unterbringung von fünfzehn Millionen Bänden ausgelegten Bücherturm, der<br />
18