Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
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Sowohl die wissensstrukturelle als auch die ökologische Bedeutung des<br />
Auditorium/Planetarium waren ihm nicht äußerlich architektonisch angeheftet,<br />
sondern erwuchsen aus seiner inneren konstruktiven Logik. Der <strong>Kugel</strong>/Gitterkegel-<br />
Bau bezog die argumentative Energie seiner Symbol- und Zeichensprache weder<br />
aus Fassadenzitaten noch aus einer ihm auftätowierten Ornamentik, sondern aus<br />
den physikalischen Gesetzen der Statik und damit letztlich aus der Gravitationskraft<br />
unseres Himmelskörpers. <strong>Die</strong> schwebende <strong>Kugel</strong> war eine in reine Formen<br />
gegossene universelle Naturgesetzlichkeit. <strong>Die</strong> architektonisch eindringliche<br />
Aufforderung zum kollektiven Widersprechen und zur ökologischen Behutsamkeit<br />
erschien so als unabweisbare Notwendigkeit. Und sie war universell gesetzt. Sie<br />
reichte weit über Moskau, die Sowjetunion und die Welt hinaus. Das<br />
Kommunikations-Architekton, der Funkmast, der der interplanetarischen Verbindung<br />
dienen sollte, sandte diese Aufforderung in die Tiefen des Alls.<br />
Von einer solchen Technologie, „mit Zeichen, Bedeutungen, Symbolen oder<br />
Sinn umzugehen", grenzte sich der „stalinistische Empire" nicht nur schlechthin ab,<br />
sondern gegenüber dieser „<strong>Leonidow</strong>erei" errichteten die Zuckerbäcker-Architekten<br />
monumentale Barrieren. Um einen Einblick in die Bedeutungs-Techniken zu<br />
bekommen, derer sie sich dabei bedienten, ist es hilfreich, sich jenem größten<br />
sowjetischen Architekturwettbewerb zuzuwenden, in dem jegliche kugelähnlichen<br />
Architektone Schritt um Schritt verdrängt wurden, und zwar dem „Wettbewerb um<br />
den Palast der Sowjets". In einer gemeinsam von Helfreich, lofan und Stschuko<br />
vorgelegten Entwurfsvariante, die auf den Zeitraum „1933-1935" datiert ist (Chan-<br />
Magomedow 1983, Abb. 710), werden die Spezifik der Bedeutungs-Technik der<br />
Palast-Architektur und deren Frontstellung gegenüber der „<strong>Leonidow</strong>erei" sehr<br />
anschaulich deutlich.<br />
Jedem Betrachter dieser Entwurfsvariante springt sofort die Monumentalität<br />
des projektierten Palastes ins Auge, und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen ist<br />
der vorgestellte Palast massig, wuchtig und gigantisch. Zum anderen ist er ein<br />
Monument und Denkmal. Auf einem gewaltigen Sockel steht eine überdimensionale<br />
Figur. Das Architekton dient der Verkündung, andere Funktionen sind seiner<br />
äußeren Gestalt nicht abzulesen. Welche Räume der Sockel beherbergen und wozu<br />
diese im einzelnen dienen sollen, ist nicht erkennbar. Und es ist letztlich auch<br />
gleichgültig, denn alle möglichen oder denkbaren Funktionen sind der<br />
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