Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
zähes Leben. Nicht nur auf dem Gipfelpunkt ihrer architekturgeschichtlichen<br />
Karriere, sondern auch und gerade in ihrem Untergang war sie dynamisch und<br />
erfinderisch. Und es steht zu befürchten, daß sie nach ihrem Tod in neuen<br />
architektonischen Verkleidungen aufersteht. <strong>Die</strong>se Befürchtung stützt sich zunächst<br />
auf die Nachgeschichte der Palast-Architektur und die Verwandlungskünste, die sie<br />
in ihrem Untergang entwickelte.<br />
6. <strong>Die</strong> Nachgeschichte: Untergang und Verwandlung der Paläste<br />
Der Untergang der Paläste vollzog sich in zwei Richtungen, die von anfang an sehr<br />
eng zusammenspielten. <strong>Die</strong> erste betraf den Palast als exklusiven und zentralen<br />
Versammlungsraum des Landes, in dem sich die kleinen Leute symbolisch als<br />
Delegierte der Partei-, Staats-, Gewerkschafts- und Massenorganisationen oder<br />
ganz irdisch als Besucher von Theater-, Opern-, Ballett- und sonstigen Kultur- und<br />
Festveranstaltungen zusammenfinden sollten. <strong>Die</strong> zweite betraf den Versuch, allen<br />
kleinen Leuten in der sozialistisch organisierten Moderne Paläste zur Verfügung zu<br />
stellen, in denen sie sich tagtäglich aufhalten konnten.<br />
Der Untergang des Palastes als sakrales und profanes<br />
Versammlungszentrum des Volkes begann mit seiner Errichtung. Ein Palast-Bau,<br />
dem das Projekt lofans zugrunde lag, wurde noch vor dem zweiten Weltkrieg in<br />
Angriff genommen, jedoch nie ausgeführt. Während der Belagerung Moskaus mußte<br />
das bereits aufgeführte Stahlskelett abgetragen werden. Nach Kriegsende wurde<br />
dann die Bauaufgabe erneut aber ergebnislos diskutiert. In dem ausgebluteten und<br />
zerstörten Land hatten zunächst andere repräsentative Wohnungs-, Wissenschafts-,<br />
Verkehrs- und Industriebauten, wie etwa die Moskauer Hochhäuser, die<br />
Lomonossow-Universität, die Metro-Stationen oder der Wolga-Don-Kanal, Vorrang.<br />
Ad acta gelegt indes wurde das Projekt eines Zentral-Palastes nicht. Es gab<br />
nämlich eine zwar späte, nichtsdestoweniger sehr aufschlußreiche architektonische<br />
Antwort auf all die Projekte und Entwürfe, die in den 20er Jahren zunächst um den<br />
„Palast der Arbeit" und dann seit den 30er Jahren um den „Palast der Sowjets"<br />
kreisten. Es war dies der „Kongreßpalast im Moskauer Kreml" (1961) (Vogt 1990, S.<br />
66). <strong>Die</strong>ses im Hinblick auf die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der<br />
Oktoberrevolution projektierte und gebaute Architekton wurde von einem<br />
73