Die Leonidow-Kugel. Zur technischen Paßfähigkeit moderner ... - WZB
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Sachlichkeit und Kühle der Architektone wird dann als Eiseskälte erlebt. In diesem<br />
Fall kann jedoch vom konstruktiven Prinzip her architektonisch keine Entlastung<br />
einsetzen, denn jedwede ornamentierende Bekunstung würde die »Poesie der<br />
Zukunft« syntaktisch und semantisch in eine »Poesie der Vergangenheit«<br />
verwandeln.<br />
Während <strong>Leonidow</strong>s Architektone den Menschen lediglich ihren<br />
Entscheidungsfrust als baulichen Frost zurückspiegeln, strahlen die Palast-Areale<br />
durch den in den Monumenten eingefrorenen Amerikanismus und die durch die<br />
Umplatzung abgetöteten Räume aus ihrem architektonischen Kern heraus<br />
Grabeskälte ab. Und im Gegensatz zur „<strong>Leonidow</strong>erei" hat der „stalinistische<br />
Empire" von seinem architektonischen Prinzip her die Möglichkeit hier Abhilfe zu<br />
schaffen, denn die bedeutungs-technische Verkündungs- und die macht-technische<br />
Unterwerfungsfunktion der Paläste werden durch Ornamentierungen nicht<br />
geschwächt, sondern verstärkt. Mehr noch, die Palast-Architektone bedürfen<br />
geradezu der Schmutzkruste des Gegenstandes, um diese Funktionen zu entfalten.<br />
Den bedeutungs- und macht-<strong>technischen</strong> Abstoßungskräften muß der „stalinistische<br />
Empire" eine selbst-technische Anziehungskraft entgegensetzen, die diese<br />
überkompensiert. Er tut dies durch die Ornamentierung der Fassaden, in denen sich<br />
der Palast seinen Ameisenmenschen andienert. Das selbst-technische<br />
Zuckerbäcker-Angebot lindert nicht nur den Schmerz, den die bedeutungs-<br />
technische Verkündungs- und die macht-technische Unterwerfungspeitsche den<br />
Menschen zufügt, es versüßt ihn auch.<br />
In dem von Helfreich, lofan und Stschuko vorgelegten Palast-Entwurf wird<br />
dieses Spannungsverhältnis zwischen Zuckerbäckerbrot und Empirepeitsche sehr<br />
deutlich erkennbar. Aus dem Grundgebäude des weiträumig umplatzten Palastes<br />
wächst der fünfzylindrige, sich nach oben hin verjüngende Denkmalssockel in den<br />
Himmel. Jeder dieser Zylinder ist von Säulen umkränzt. <strong>Die</strong> auf jeder Zylindergalerie<br />
thronenden Skulpturen laufen wie Nippesschnüre um den Wolkenturm, der sich<br />
darüber hinaus noch durch Friese, Türmchen und allerlei Zierat den an seinem Fuß<br />
vorbeidefilierenden Menschmaschinen anzuheimeln sucht. Was die architektonische<br />
Frisierkunst hergibt, wird hier aufgeboten, um die bei ihnen durch das Palast-Areal<br />
hervorgerufenen Distanz- und Kältegefühle nicht nur zu mildern, sondern in wohlige<br />
Wärme zu verwandeln. Urgemütlich soll das Verkündungs- und Unterwerfungs-<br />
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