forschungsbericht november 2008 – juli 2012 - Kunsthistorisches ...
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154 | FORSCHUNGEN DER WISSENSCHAFTLICHEN MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER<br />
Die Kunstbibliothek des Grafen Leopoldo Cicognara<br />
Barbara Steindl<br />
Paul Oskar Kristeller hat in seinem Aufsatz The Modern<br />
System of the Arts (Journal of the history of ideas, XII, Nr. 4,<br />
Okt. 1951, und XIII, Nr. 1, Jan. 1952) erstmals den Versuch<br />
unternommen, die Künste im weit gefassten Universum des<br />
Wissens zu verorten. Der von ihm nachgezeichnete Prozess<br />
einer progressiven Abgrenzung der Kunst von den anderen<br />
mechanischen oder freien Künsten sowie die Pflege von<br />
nachbarschaftlichen Beziehungen zu anderen Wissensgebieten<br />
lässt sich auch durch die Untersuchung von Bibliotheken<br />
darlegen. Die Kunstbibliothek des Grafen Francesco Leopoldo<br />
Cicognara ist diesem Zusammenhang ein herausragendes<br />
Beispiel; sie reflektiert den Wissenshorizont eines der Pioniere<br />
der Kunstforschung sowie dessen noch diffusen Kunstbegriff<br />
und erlaubt Einblicke in seine Sammelinteressen. Diese<br />
sind allerdings nicht nur Ausdruck seiner Forschungsinteressen, sondern sie sind auch entscheidend<br />
durch die Dynamiken des Buchhandels und der Buchproduktion geprägt.<br />
Titelblatt des Catalogo ragionato (Bd.<br />
1, Pisa 1821) der Kunstbibliothek des<br />
Grafen Leopoldo Cicognara (Exemplar<br />
des KHI)<br />
Die Stiltheorie der Carracci <strong>–</strong> eine Neubewertung<br />
Samuel Vitali<br />
Im Bestreben, die Kunst der Carracci vom Makel des Epigonentums zu befreien, relativierte<br />
die Barockforschung des 20. Jahrhunderts lange Zeit den Quellenwert der Biographen des<br />
17. Jahrhunderts, die den drei Bologneser Malern eine eklektizistische Kunsttheorie zugeschrieben<br />
hatten. Charles Dempseys Buch Annibale Carracci and the Beginnings of Baroque<br />
Style (1977) hat diesbezüglich einen Paradigmenwechsel ausgelöst. Seine These, dass insbesondere<br />
Annibale Carracci tatsächlich durch die Verbindung von verschiedenen maniere jenen<br />
idealen Malstil zu realisieren suchte, den die Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts in der<br />
harmonischen Verschmelzung von disegno und colore imaginiert hatte, ist von einem Großteil<br />
der neueren Forschung aufgenommen und weiterentwickelt worden. Zumindest aber<br />
ist die Vorstellung, dass die Carracci mit ihrer Malerei und ihrer Akademie ein kohärentes<br />
Reformprogramm verfolgten, heute weitgehend unbestritten. Das Forschungsprojekt zielt<br />
darauf ab, das Problem der Stiltheorie der drei Künstler unter Bezugnahme auf alle schriftlichen<br />
und visuellen Quellen noch einmal neu zu bewerten und den Begriff ›Carracci-Reform‹<br />
kritisch zu hinterfragen.