forschungsbericht november 2008 – juli 2012 - Kunsthistorisches ...
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58 | PROF. DR. MAX SEIDEL, DIREKTOR EM.<br />
Francesco Clemente: I Tarocchi<br />
Mein Projekt, Aquarelle des in New York lebenden italienischen Künstlers Francesco<br />
Clemente in den Uffizien auszustellen, erschien zu Beginn deshalb besonders kühn, weil<br />
die vor allem der Kunst der Renaissance geweihten ›heiligen Hallen‹ des Florentiner Museums<br />
bisher der zeitgenössischen Kunst weitgehend verschlossen blieben. Mit Einverständnis<br />
von Cristina Acidini, der Generaldirektorin der Florentiner Museen, und von Marzia<br />
Faietti, der Direktorin des Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, war ich 2009 nach New<br />
York gereist, um Francesco Clemente für dieses ungewöhnliche Projekt zu gewinnen. Der<br />
Künstler stimmte sogleich begeistert zu. Wenige Monate später entwickelte er jene Idee, die<br />
der Ausstellung letztlich zum Erfolg verhelfen sollte: die seiner künstlerischen Phantasie<br />
kongeniale Thematik der Tarocchi, die das Florentiner Publikum besonders deshalb zu faszinieren<br />
versprach, weil die Ursprünge dieser Ikonographie bis in die Zeit der italienischen<br />
Renaissance und somit in die Epoche des Sammlungsschwerpunktes der Uffizien zurückführen.<br />
Clemente wagte folglich, wie ich in meinem Beitrag zum Katalog der Ausstellung<br />
ausführlich darzustellen suchte, an die Symbolsprache der Renaissance anzuknüpfen, um<br />
diese für die zeitgenössische Kunst erneut fruchtbar zu machen. Die zur Ausstellungseröffnung<br />
aus aller Welt zahlreich angereisten Künstler, darunter so bekannte Schriftsteller<br />
wie Salman Rushdie oder Rene Ricard, Bildhauer und Maler wie Kiki Smith oder Miquel<br />
Barceló, Sängerinnen und Tänzerinnen wie Marisa Monte und Sara Mearns, zeigten sich<br />
von diesem Experiment begeistert. Besonders freute mich das in der Einleitung zum Ausstellungskatalog<br />
geäußerte Urteil der Generaldirektorin der Florentiner Museen, das bewies,<br />
welch zu Beginn kaum erhoffte Zustimmung meine Initiative bei den italienischen<br />
Fachkollegen fand: »L'arrivo di Francesco Clemente […] segna una tappa importante nel<br />
percorso che il Gabinetto Disegni e Stampe e l'intera compagine degli Uffizi vanno compiendo,<br />
senza chiasso anzi con la discrezione di chi pensa prima di decidere e di annunciare,<br />
nei meandri della contemporaneità nelle sue espressioni più diverse. E di questo non posso<br />
che esser grata a tutti coloro che, dal di dentro o a fianco di un'istituzione così antica, non<br />
la interpretano come un confine bensì come un trampolino, dimostrando di aver radici,<br />
osando munirsi di ali.«<br />
Max Seidel<br />
Francesco Clemente, La Ruota della<br />
Fortuna<br />
Perspektiven<br />
Einem heute in der internationalen Forschung immer stärker zu beobachtenden Trend zu<br />
einer extremen Konzentration auf das Studium nur einer Stilepoche und auf bloß eine wissenschaftliche<br />
Methode, die meiner Meinung ein tieferes Verständnis des Wesens der Kunst<br />
behindert, versuche ich dadurch entgegenzuwirken, dass ich mich sehr bewusst zeitlich<br />
und örtlich weit entfernten Problemfeldern widme. Neben dem eben erschienenen Buch<br />
zur Kunst der italienischen Gotik (»Padre e Figlio« <strong>–</strong> Nicola e Giovanni Pisano) gilt zur Zeit<br />
mein Interesse einem Projekt, in dem ein berühmter Topos der Kunst und Literatur der<br />
Romantik im Werk von Cézanne und Picasso sowie vieler weiterer Künstler in seiner Fortentwicklung<br />
bis zur zeitgenössischen Kunst erforscht werden soll. Daneben versuche ich<br />
zwei hochbegabten, jedoch noch wenig bekannten jungen Malern aus Burma und Japan,<br />
Sawangwongse Yawnghwe und Mari Furukawa (Wanli), durch Schriften und Ausstellungen<br />
zum Erfolg zu verhelfen.<br />
Max Seidel