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forschungsbericht november 2008 – juli 2012 - Kunsthistorisches ...

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KUNST UND DIE KULTIVIERUNG DER NATUR | 39<br />

Kunst und die Kultivierung der Natur | Art and the Cultivation of Nature<br />

Hannah Baader<br />

Einzelforschungen<br />

Zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert erfährt der Begriff der Natur eine Reihe von folgenreichen<br />

Transformationen. Die Künste, die Praktiken des Handwerks und das an diese<br />

gebundene technische Wissen hatten an dem Prozess der Neubestimmung einen entscheidenden<br />

Anteil. Natur und Kunst sind in der Frühen Neuzeit nicht einfach als Entgegensetzungen<br />

zu verstehen, vielmehr geht es zugleich darum, Kräfte und Dynamiken der Natur<br />

in der Kunst darzustellen und sogar wirksam werden zu lassen. Das Projekt fragt nach dem<br />

Wechselspiel von Kultivierung der Natur und den Künsten, d. h. nach Poetiken, Praktiken<br />

und Techniken, mittels derer Natur transformiert und in Kultur überführt wird. Florenz<br />

kann dabei als Ort gelten, an dem solche Transformationen vom Tre- bis zum Seicento in<br />

besonders deutlicher Weise erkennbar werden.<br />

Ein Schwerpunkt der Forschung liegt auf jenen Kultivierungsprozessen in ihren visuellen<br />

Formulierungen, die der Natur des Meeres gelten, aber auch auf urbanistischen Fragen, die<br />

das Zusammenspiel von Kunst und Natur betreffen, wie sie sich an Inselstädten (»Città-Isola«<br />

mit Costanza Caraffa) oder Hafenstädten (mit Gerhard Wolf) zeigen. Das Projekt verbindet<br />

sich mit den Forschungen und Forschungsprogrammen zu einer kunsthistorischen Frühgeschichte<br />

der Globalisierung, indem es dort maritime Aspekte einbringt und zugleich die<br />

Frage des Verhältnisses von Kunst und Natur auf einen interkulturellen Horizont öffnet.<br />

(»Art, Space and Mobility« mit Avinoam Shalem und Gerhard Wolf). Als Stipendiaten haben<br />

Itay Sapir, Stefan Neuner und Galia Halpern sowie Maria Saveria Ruga als wissenschaftliche<br />

Hilfskraft mit ihren Forschungen zur Entwicklung des Projekts beigetragen.<br />

Galia Halpern | Open Geography and the Illuminated Mandeville’s Travels (Doc)<br />

Stefan Neuner | Canvas, Veil, and Sailcloth. On the Textile Poetics of Venetian Painting (Postdoc)<br />

Itay Sapir | CLAUDE. Claude Lorrain's Seaports (Postdoc)<br />

Ikonologien und Ikonosphären des Meeres, 1200<strong>–</strong>1600<br />

Tizian, Der Untergang des Pharao im<br />

Roten Meer, Detail, Holzschnitt, 12<br />

Platten, 1230 x 2190 mm, 1510/1520,<br />

Ausgabe von 1549, Frankfurt a. M.,<br />

Städelsches Kunstinstitut<br />

Nicht erst die Kunst der Moderne arbeitet mit dem Meer als einem Reservoir von Metaphern<br />

und Analogien. Die sich sowohl in Geschichtsschreibung und Dichtung als auch Malerei,<br />

Skulptur und Kunsthandwerk entwickelnde maritime Metaphorik zielt auf politische<br />

ebenso wie künstlerische Fragen und führt immer wieder zum Problem der Repräsentation<br />

selbst. Dabei speist sie sich aus einer Reihe von extremen, je konträren Zuschreibungen<br />

an das Meer: dem Gegensatz von Schönheit und Schrecken,<br />

Zerstörung und Gebären, männlich und weiblich, Oberfläche und Tiefe,<br />

Bewegung und Ruhe, Grenzenlosigkeit und Grenze. Diese Gegensätze<br />

konstituieren ein fortwährendes, fast schon allzu offensichtliches Spiel<br />

der Oppositionen, welches die geologischen Formationen des Meeres mit<br />

Sinn belegt. Diese werden in vormodernen Darstellungen vom Durchzug<br />

durch das Rote Meer wirksam, wie etwa in Tizians spektakulärem, zwölfteiligem<br />

Holzschnitt von 1510/1520 bzw. 1549.<br />

Neben die maritime tritt eine ebenso dichte, seit der Antike entfaltete nautische<br />

Metaphorik. Gelten die Metaphern des Maritimen dem liquiden,<br />

formlosen Körper des Meeres und der Bewegungsdynamik seiner Wassermassen,<br />

so richten sich die nautischen Bilder auf die Techniken der<br />

Schifffahrt und damit auf den glatten, aber auch kerbbaren Raum des<br />

Meeres als einer Oberfläche. Die nautische Metaphorik, die mit der maritimen<br />

fast immer verschränkt ist, lässt sich nicht auf das Erhabene in<br />

Form der figura des Schiffbruchs reduzieren. Sie gilt vielmehr der Fahrt, dem Horizont als<br />

einer Figur der Überschreitung, den Motiven von Ankunft und Abfahrt, dem Schiff als<br />

einem beweglichen Ort, den Techniken und Instrumenten seiner Steuerung <strong>–</strong> d. h. Ruder,<br />

Steuer, Tau, Segel, Anker und Kompass <strong>–</strong> sowie bestimmten Konstellationen der Navigation.

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