Tirol hat gewählt - Österreich Journal
Tirol hat gewählt - Österreich Journal
Tirol hat gewählt - Österreich Journal
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 118 / 03. 05. 2013<br />
Wissenschaft & Technik<br />
Bessere Pharmaprodukte<br />
aus lebenden Zellen<br />
Biopharmazeutische Produktion war bisher von Versuch und Irrtum abhängig,<br />
nun sollen die Prozesse auf solider wissenschaftlicher Basis untersucht und verstanden<br />
werden – mit einem neuen Christian Doppler Labor an der TU Wien.<br />
In der sogenannten „roten Biotechnologie“<br />
setzt man lebende Zellen für die Herstellung<br />
von therapeutischen oder diagnostischen<br />
Pharmaproduckten ein. Dabei handelt<br />
es sich oft um sehr komplizierte Moleküle,<br />
die sich nur mit Hilfe biotechnologischer Prozesse<br />
herstellen lassen. Bei der Entwicklung<br />
dieser Prozesse war man bisher auf Versuch<br />
und Irrtum angewiesen, doch das soll sich<br />
nun ändern. Am 17. April wurde an der TU<br />
Wien ein vom Wirtschaftsministerium unterstütztes<br />
CD-Labor eröffnet, an dem in den<br />
nächsten sieben Jahren ein mechanistisches<br />
und physiologisches Verständnis dieser Prozesse<br />
erarbeitet werden soll, um sie in Zukunft<br />
schneller entwickeln und für die industrielle<br />
Produktion nutzen zu können.<br />
Es funktioniert, und<br />
niemand weiß warum<br />
Mit der Entwicklung neuer biotechnologischer<br />
Herstellungsverfahren, etwa für Antikörper<br />
oder rekombinante Enzyme, ist immer<br />
großer Aufwand verbunden: Unzählige<br />
Versuchsreihen, zeitaufwändige Tests in<br />
Bioreaktoren, Unmengen an gemessenen<br />
Daten gehören dazu. „Man probiert viele<br />
unterschiedliche Varianten aus und mißt,<br />
welcher Satz an Prozeßparametern am erfolgreichsten<br />
ist“, erklärt Prof. Christoph<br />
Herwig. Danach weiß man zwar, wie der<br />
Herstellungsprozeß funktioniert, aber nicht<br />
warum. Herwig wird in den nächsten Jahren<br />
das „CD Labor für mechanistische und<br />
physiologische Methoden für leistungsfähigere<br />
Bioprozesse“ leiten, wo die heutigen<br />
Ansätze des „Know-How“ in der Biotechnologie<br />
durch das nötige „Know-Why“ ergänzt<br />
werden sollen.<br />
Foto: TU Wien<br />
Foto: TU Wien<br />
Im Labor der Forschungsgruppe für Bioverfahrenstechnik<br />
Prof. Christoph Herwig<br />
Das Problem der Skalierbarkeit<br />
„Die rote Biotechnologie bietet viele<br />
Chancen, doch viele Firmen haben in diesem<br />
Bereich Schwierigkeiten, ihre Produkte zur<br />
Marktreife zu bringen“, sagt Herwig. Wenn<br />
nur empirische „Kochrezepte“, nicht aber die<br />
zugrundeliegenden Mechanismen bekannt<br />
sind, erlebt man oft unangenehme Überraschungen,<br />
wenn eine neu entdeckte Methode<br />
auf industrielle Größenordnungen hochskalieren<br />
will: Was sich im kleinen Versuchsreaktor<br />
bewährt <strong>hat</strong>, läßt sich nicht unbedingt auf<br />
Industriemaßstäbe anwenden. So entsteht oft<br />
großer finanzieller Schaden für Industrieunternehmen,<br />
da gesamte Produktionschargen<br />
entsorgt werden müssen.<br />
»<strong>Österreich</strong> <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
Biotechnologie ist wie Flugzeugbau<br />
Untersucht werden im neuen CD-Labor<br />
der TU Wien ganz unterschiedliche biotechnologische<br />
Verfahren: Man forscht an Bakterien<br />
und Hefe genauso wie an filamentösen<br />
Pilzen und sogar Säugetierzellen. „Wir wollen<br />
einen breiten Bereich der Biotechnologie<br />
auf ein solides Fundament stellen“, sagt Herwig.<br />
Er vergleicht das Projekt mit dem Flugzeugbau:<br />
Die ersten Flugversuche <strong>hat</strong> man<br />
mit simplen Flugmaschinen unternommen,<br />
die durch simples Ausprobieren verbessert<br />
wurden. Heute setzt man die Erkenntnisse<br />
der Ingenieurwissenschaften und die Gesetze<br />
der Aerodynamik ganz bewußt und gezielt<br />
ein und erzielt von Anfang an bessere<br />
Ergebnisse. Auf ähnliche Weise, so hofft Herwig,<br />
soll durch das Verstehen der grundlegenden<br />
physiologischen Prozesse bald auch<br />
die Biotechnologie abheben und Erfolge<br />
bringen.<br />
Das Wirtschaftsministerium unterstützt<br />
Mit finanzieller Unterstützung des Wirtschaftsministeriums<br />
fördert die Christian<br />
Doppler Forschungsgesellschaft die Zusammenarbeit<br />
von Wissenschaft und Wirtschaft<br />
durch die Einrichtung von Christian Doppler<br />
Labors mit festen Laufzeiten. Derzeit sind<br />
an der TU Wien elf aktive Christian Doppler<br />
Labors verankert – mehr als an jeder anderen<br />
Universität in <strong>Österreich</strong>.<br />
•<br />
http://www.vt.tuwien.ac.at/biochemical_engineering/cd_mib/<br />
76