Jürgen Palm - Kreis Offenbach

Eine andere Arbeitswelt
Wir plädieren dafür, der Verlockung solch eindrucksvoller Zahlen zu widerstehen,
weil diese weite Betrachtungsweise ehrenamtlichen Engagements
den Blick auf die Kerntätigkeiten verstellen, die einen Verein handlungs-
und leistungsfähig machen und ohne die das Projekt „Gesangverein“ nicht
überlebensfähig ist. Im Vorstand des Liederkranzes Zellhausen wird der
oben skizzierten weiten Betrachtungsweise ebenfalls eine Absage erteilt.
Daniela Wolf: „Chorproben und die individuelle Vorbereitung darauf
sowie z. B. die gesangliche Vorbereitung auf und Teilnahme an Wettbewerben
sind für uns der eigentliche Vereinszweck, also kein ehrenamtliches
Engagement. Ehrenamt fängt da an, wo es darum geht,
die Aktivitäten, die im eigentlichen Vereinszweck liegen, zu ermöglichen,
sei es, indem man eigene Wettbewerbe oder die Fahrt zu
Wettbewerben anderer Chöre organisiert oder Veranstaltungen vorbereitet
und durchführt, die dem Verein Einnahmen zur Deckung der
laufenden Kosten bringen. Wenn einer unserer Chöre unentgeltlich
bei einer Feier der Gemeinde singt, dann rechnen wir das auch eher
nicht zum ehrenamtlichen Engagement, weil wir das gerne tun, sind
diese doch ebenfalls eine Ausdrucksform unseres Vereinszwecks
‘Gesang darbieten’.“
Nun hat sich in den letzten zehn Jahren eine Definition ehrenamtlichen
Engagements durchgesetzt, die Ehrenamt nicht mehr, wie das früher üblich
war, ausschließlich altruistisch definiert. 5 Dass etwas den Engagierten
selbst Spaß macht, ist nach der heute gebräuchlichen Formel „für andere
– und auch für sich selbst“ für sich genommen kein Ausschlusskriterium
für ehrenamtliches Engagement.
Auch ist es weithin üblich, nur unentgeltliche Tätigkeiten oder allenfalls
solche, für die nicht mehr als eine geringe Aufwandsentschädigung gezahlt
wird, als ehrenamtliche Tätigkeiten zu betrachten. Von daher kann
der Eindruck aufkommen, dass das Engagement von Sängerinnen und
Sängern für ein Konzert, für das Eintritt gezahlt werden muss, nicht als
ehrenamtlich zu betrachten ist. Hier ist aber zu berücksichtigen, dass die
5 Dass es früher geradezu verpönt war, bei einem ehrenamtlichen Engagement danach zu
fragen, inwieweit es dem eigenen Nutzen – oder der eigenen Freude – des ehrenamtlich Engagierten
dient, war vor zwei Jahren ein wichtiger Anlass für den Kreis Offenbach, die erste
Studie zum Thema Ehrenamt und Lebensqualität auf den Weg zu bringen – und für uns, diese
Studie durchzuführen. Es konnte gezeigt werden, dass ehrenamtliches Engagement sich
in eindrucksvoller Weise positiv auf die Lebensqualität derer auswirkt, die sich engagieren
(vgl. Palm, Jürgen/Schumacher, Jürgen (2002): Ehrenamt und Lebensqualität im Kreis Offenbach
– Ergebnisse einer Umfrage unter Ehrenamtlichen in Vereinen und vereinsähnlichen
Gemeinschaften, Kreis Offenbach (Hg.), Dietzenbach).
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