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Bürger, die Geschichte schreiben - Stiftung Polytechnische ...

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102 staDtteilHistoriker 2007 – 2010 | NorBert traBaND, NieD<br />

NorBert traBaND, NieD<br />

Die Briefe des Christian traband 1870/1871<br />

als Zeugnisse eines ‚vergessenen’ krieges<br />

Christians Briefe wären beinahe verloren gegangen.<br />

sie lagen jahrzehntelang in einem Pappkarton unter<br />

einem Bett und sollten vernichtet werden. Bereits<br />

vor jahren gelangten sie zufällig in den Besitz des<br />

Mitbegründers und jetzigen ehrenvorsitzenden des<br />

Heimat- und Geschichtsvereins, adalbert Vollert,<br />

und blieben somit der Nachwelt erhalten. schon<br />

während der transkription der 26 Briefe forschte ich<br />

nach Christians lebensumständen im alten Nied<br />

und befasste mich mit dem Deutsch-Französischen<br />

krieg 1870-1871. ein krieg übrigens, der zwar zur<br />

Gründung des Deutschen reiches führte, heute<br />

jedoch durch <strong>die</strong> beiden späteren fürchterlichen<br />

Weltkriege etwas in Vergessenheit geraten ist. am<br />

ende des Deutsch-Französischen krieges waren<br />

jedenfalls auf beiden seiten rund 125.000 tote zu<br />

beklagen.<br />

Christian hatte wohl mit seinen 25 jahren etwas anderes vor, als<br />

nach Paris zu marschieren. Für uns ist heute manches, was in <strong>die</strong>ser<br />

Zeit von oberster Priorität war, wie beispielsweise der Militär<strong>die</strong>nst,<br />

etwas unverständlich. Damals hatte aber ein „Unge<strong>die</strong>nter“ kaum<br />

Chancen, eine einigermaßen gut bezahlte arbeit zu finden. Diese<br />

brauchte man jedoch, um standesgemäß heiraten zu können. Die<br />

Familien legten größten Wert darauf. Wenn man nach der kriegserklärung<br />

Frankreichs das Vaterland und <strong>die</strong> lieben zu Hause gegen<br />

den „erbfeind“ verteidigen durfte und das auch noch überlebte, war<br />

man ein Held.<br />

eine gewisse abenteuerlust und das vorübergehende ausscheiden<br />

aus dem kleinbürgerlichen alltagstrott waren für einen jungen<br />

Mann, der sonst kaum aus seiner vertrauten Umgebung herauskam,<br />

sicher sehr reizvoll. allerdings ist aus den Briefen herauszulesen,<br />

dass <strong>die</strong> anfängliche euphorie schnell nachließ. schuld daran waren<br />

<strong>die</strong> endlosen Märsche bei Wind und Wetter auf schlecht ausgebauten<br />

straßen, <strong>die</strong> eintönige Verpflegung und <strong>die</strong> teilweise desolaten Unterkünfte.<br />

Während der Belagerung von Paris war sein einsatz auf<br />

Zeltwache vor Metz, aus der „Gartenlaube“, 1872. (Bild: Wikipedia)<br />

Vorposten schon deshalb nicht ungefährlich, weil es immer wieder<br />

zu ausbruchsversuchen der eingeschlossenen kam, verbunden mit<br />

toten und Verwundeten.<br />

Dennoch vermied er es, <strong>die</strong> lieben zu Hause mit den schrecken des<br />

krieges zu konfrontieren, indem er auf schlimme Details verzichtete<br />

und sich als „stets noch gesund und munter“ bezeichnete. er bedauerte<br />

es, dass <strong>die</strong> eltern <strong>die</strong> nächtliche Feuerglut am Himmel bei<br />

der Bombar<strong>die</strong>rung von Paris nicht sehen konnten. auch berichtete<br />

traband über das treffen mit Nieder kameraden und war entsetzt<br />

über den plötzlichen tod eines Freundes.<br />

Neben einem kurzen Überblick, was den Beginn und Verlauf des<br />

krieges betrifft, habe ich versucht, <strong>die</strong> geradezu katastrophalen<br />

Verhältnisse zu schildern, denen der einfache soldat ausgesetzt war.<br />

Dies geht schon daraus hervor, dass ein beträchtlicher teil nicht im<br />

Gefecht, sondern durch krankheiten, verursacht durch fehlende<br />

Hygiene und Wundversorgung, sowie durch erschöpfung zu tode<br />

kam.

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