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Bürger, die Geschichte schreiben - Stiftung Polytechnische ...

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68 staDtteilHistoriker 2007 – 2010 | elliNor FrieD-BrosZ (staDtteilÜBerGreiFeND)<br />

elliNor FrieD-BrosZ (staDtteilÜBerGreiFeND)<br />

treffpunkt Palais: Gesandtschaften und stadtgesellschaft<br />

zur Zeit des Deutschen Bundes<br />

Die Frankfurter Paulskirche ist<br />

eine der Pflichtstationen bei<br />

Führungen oder exkursionen zur<br />

stadtgeschichte. Manchmal verleitet<br />

jedoch auch der ehemalige<br />

standort des thurn und taxischen<br />

Palais in der Großen eschenheimer<br />

straße, das nun an <strong>die</strong>ser<br />

stelle wieder nachgebaut worden<br />

ist, zu einem Zwischenstopp. so<br />

war es auch an jenem tag, an dem<br />

ellinor Fried-Brosz begann, sich für<br />

<strong>die</strong> ‚diplomatische Vergangenheit’<br />

ihrer Heimatstadt Frankfurt zu interessieren.<br />

„Mir war bis dahin gar<br />

nicht bewusst gewesen, dass im<br />

19. jahrhundert zahlreiche Diplomaten<br />

verschiedenster staaten<br />

hierhin entsandt worden sind. Das<br />

gesellschaftliche leben, das mit<br />

<strong>die</strong>sen Diplomaten in <strong>die</strong> stadt<br />

eingezogen sein musste, <strong>die</strong> rauschenden<br />

Bälle und empfänge,<br />

haben mich sofort fasziniert. ich<br />

wollte mehr erfahren.“ Das Palais<br />

thurn und taxis war ein halbes jahrhundert lang, in den jahren 1816<br />

bis 1866 – nur unterbrochen durch <strong>die</strong> 1848er revolution –, sitz der<br />

Bundesversammlung, auch Bundestag genannt, mithin des zentralen<br />

organes des „Deutschen Bundes“. Zu <strong>die</strong>sem staatenbund<br />

hatten sich 1815 Preußen, Öster reich, Bayern sowie über 30 weitere<br />

mittlere und kleinstaaten des deutschen sprachraumes zusammengeschlossen.<br />

Die Bundesversammlung <strong>die</strong>nte als ständige Vertretung<br />

der einzelnen Mitgliedsstaaten. aber auch andere staaten<br />

entsandten Diplomaten an den deutschen Bundestag. ständig vertreten<br />

waren dort Frankreich, Großbritannien und russland. auch<br />

Diplomaten aus Belgien, Mexiko, Portugal, sardinien, schweden und<br />

spanien waren zwischenzeitlich in Frankfurt.<br />

Palais Thurn und Taxis, ca. 1820. (Foto: ISG)<br />

Frankfurt war ein ausnahmefall unter<br />

den diplomatischen standorten.<br />

Denn <strong>die</strong>se hatten als ihren Mittelpunkt<br />

meist eine aristokratie und<br />

einen Hof. in der <strong>Bürger</strong>stadt Frankfurt<br />

jedoch trafen <strong>die</strong> zu allermeist<br />

adligen Diplomaten auf das selbstbewusste<br />

Wirtschafts bürgertum,<br />

das sich seiner neuen rolle als ‚Gastgeber’<br />

der Diplomaten schnell und<br />

gerne annahm. es entstand gewissermaßen<br />

ein bürgerliches Pendant zur<br />

Hofgesellschaft. Frankfurter und<br />

Diplomaten begegneten sich auf<br />

empfängen, Banketten, Bällen und<br />

Diners. Diese weitläufigen gesellschaftlichen<br />

Verpflichtungen empfand<br />

der aus heutiger Perspektive<br />

wohl bekannteste Diplomat, otto von<br />

Bismarck, der als Gesandter Preußens<br />

nach Frankfurt kam, als große Belastung.<br />

Der spätere reichskanzler hinterließ<br />

eine Fülle von Dokumenten, in<br />

denen er seine Frankfurter jahre 1851<br />

bis 1859 beschreibt. an seiner Person lässt sich das diplomatisch-gesellschaftliche<br />

leben der Zeit besonders gut nachzeichnen. als Bismarck<br />

36-jährig nach Frankfurt kam, war er noch relativ unbekannt<br />

und zudem ein politischer außenseiter. es stieß in Preußen auf kritik,<br />

dass er trotz völliger diplomatischer Unerfahrenheit und – in den<br />

augen vieler – mangelhafter ausbildung für <strong>die</strong>ses amt nominiert<br />

worden war. Dass er den Posten dennoch erhielt, verdankte er nicht<br />

zuletzt der knappheit geeigneter kadidaten – und so wurde ausgerechnet<br />

<strong>die</strong> <strong>Bürger</strong>stadt Frankfurt zum sprungbrett seiner karriere.<br />

auch in seiner neuen, zeitweiligen Heimat galt Bismarck als streitbarer<br />

Charakter, der besonders mit seinen österreichischen kollegen

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