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Ausgabe 210

Das unparteiische, unabhängige Magazin für ÖsterreicherInnen in aller Welt mit dem Schwerpunkt „Österreich, Europa und die Welt“ erscheint vier Mal im Jahr.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>210</strong> / 18. 04. 2024<br />

Personalia<br />

Drei Nobelpreisträger,<br />

eine Laudatio<br />

128<br />

Bundespräsident ehrte österreichische Nobelpreisträger mit dem Großen Goldenen<br />

Ehrenzeichen am Bande: »Was Sie drei auszeichnet, ist die intensive Hingabe zu<br />

einem Beruf, Leidenschaft und Hartnäckigkeit.«<br />

Am 22. Februar lud Bundespräsident<br />

Alexander Van der Bellen drei der ös -<br />

terreichischen Nobelpreisträger, Eric Kandel,<br />

Peter Handke und Anton Zeilinger, in<br />

seine Amtsräume in der Wiener Hofburg, um<br />

ihnen das „Große Goldene Ehrenzeichen am<br />

Bande“ zu verleihen. Lesen Sie hier die Laudatio<br />

im Wortlaut:<br />

Meine Damen und Herren!<br />

Drei Nobelpreisträger, eine Laudatio –<br />

man könnte dies als Herkulesaufgabe be -<br />

zeichnen. Oder als Sisyphos-Arbeit. Je nachdem,<br />

ob dem Versuch Erfolg beschieden ist<br />

oder nicht. Wie dem auch sei: Ich heiße Sie<br />

Alle hier in der Wiener Hofburg ganz herzlich<br />

willkommen.<br />

Ganz besonders möchte ich Eric Kandel,<br />

Peter Handke und Anton Zeilinger begrüssen,<br />

deren Verdienste heute in diesem festli -<br />

chen Rahmen gewürdigt werden sollen.<br />

Sie, alle drei, haben die höchste Auszeichnung<br />

verliehen bekommen, die es in<br />

ihrem jeweiligen Berufszweig zu erlangen<br />

gibt – wobei Berufszweig möglicherweise<br />

das falsche Wort ist, klingt es doch eher nach<br />

einer trockenen, um nicht zu sagen bürokratischen<br />

Tätigkeit.<br />

Was Sie drei hingegen auszeichnet, ist die<br />

Hingabe zu einem Beruf, eine so intensive<br />

Hingabe, daß sie den Rahmen des Üblichen<br />

sprengt. Leidenschaft, Hartnäckigkeit – ja,<br />

und freilich auch Talent, Begabung,im 19.<br />

Jahrhundert hätte man gesagt: Genie.<br />

Dies alles zeichnet Sie aus. Genie aber,<br />

das hat uns Immanuel Kant gelehrt, bedeutet,<br />

daß man neue Wege beschreiten muß und<br />

sich auch den Widerständen stellen muß, die<br />

meist damit verbunden sind. Davon werden<br />

Sie alle ein Lied singen können.<br />

Eric Kandel etwa, als er früh bereits mit<br />

der Annahme arbeitete, daß manche Ge -<br />

dächt nisleistungen bei wirbellosen wie bei<br />

Wirbeltieren gleichermaßen anzutreffen sind,<br />

was in der scientific community stark be -<br />

zweifelt wurde.<br />

Peter Handke etwa, als er früh schon –<br />

und mit jugendlichem Elan – eine neue Be -<br />

Foto: Peter Lechner/HBF<br />

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Begrüßung in der Wiener Hofburg<br />

schreibungskunst in der Literatur einforderte<br />

und die Größen der Literatur damit vor<br />

den Kopf stieß.<br />

Anton Zeilinger schließlich, als er un -<br />

beirrbar nach den „Gespensterteilchen“<br />

suchte, die belächelt wurden und heute ein<br />

zentraler Bestandteil der physikalischen For -<br />

schung sind.<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />

Aber beginnen wir am Beginn. Beginnen<br />

wir mit Eric Kandel. Ihm war eine so herausragende<br />

Karriere wahrlich nicht in die<br />

Wiege gelegt, als er in einem von Antisemitismus<br />

und zunehmendem Totalitarismus ge -<br />

kennzeichneten Wien zur Welt kam. Als seine<br />

Familie 1938 vor den Nazis fliehen mußte,<br />

war nicht abzusehen, daß aus dem armen<br />

Flüchtlingskind einst einer der einflußreichsten<br />

Wissenschaftler der Welt werden sollte.<br />

Früh aber schon zeigte dieses Kind seine<br />

Exzellenz und konnte in Harvard studieren –<br />

um schließlich in der medizinischen Forschung<br />

seine Heimat zu finden und diese<br />

grundlegend zu beeinflussen. Seine Forschungen<br />

zu Gehirn, Bewußtsein und Erinnern<br />

zählen heute zu den Grundlagen der<br />

Kognitionswissenschaften.<br />

Bei alledem dürfen wir aber eines nicht<br />

vergessen: Eric Kandel verband seine Forschung<br />

auch mit jenen Erkenntnissen, die<br />

um die Jahrhundertwende in Wien, also in<br />

eben jener Stadt, aus der er vertrieben wur -<br />

de, gemacht worden waren.<br />

Sein Buch „The age of insight“ zeigt in<br />

beeindruckender Weise die Verbindung von<br />

Kunst und Wissenschaft im Wien um 1900.<br />

Und es ist schon erstaunlich, daß diese Liebeserklärung<br />

an die Wiener Kultur ausgerechnet<br />

aus der Feder eines Forschers<br />

stammt, der jeden Grund hätte, mit seiner<br />

Geburtsstadt nichts mehr zu tun haben zu<br />

wollen.<br />

A propos Wien: Eric Kandel hat aus seinem<br />

ambivalenten Verhältnis zu Wien nie ein<br />

Hehl gemacht. Er hat sich vielmehr engagiert<br />

und eingemischt, hat die zögerliche Aufarbeitung<br />

der Nazi-Vergangenheit hierzulande<br />

thematisiert und letztlich federführend dazu<br />

beigetragen, daß der Dr. Karl-Lueger-Ring<br />

in Universitätsring umbenannt wurde.

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