18.04.2024 Aufrufe

Ausgabe 210

Das unparteiische, unabhängige Magazin für ÖsterreicherInnen in aller Welt mit dem Schwerpunkt „Österreich, Europa und die Welt“ erscheint vier Mal im Jahr.

Das unparteiische, unabhängige Magazin für ÖsterreicherInnen in aller Welt mit dem Schwerpunkt „Österreich, Europa und die Welt“ erscheint vier Mal im Jahr.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>210</strong> / 18. 04. 2024<br />

Wissenschaft & Technik<br />

Quanten: Fotos für besseres<br />

Verständnis von Licht und Materie<br />

Ein internationales ForscherInnen-Team konnte erstmals Fotos von einem<br />

besonderen Exemplar aus der Welt der Quantenforschung machen: dem Exziton.<br />

Die damit gewonnenen Erkenntnisse sollen genutzt werden, um mit neuartigen<br />

Fotovoltaik-Anlagen noch mehr Strom aus Sonnenlicht zu gewinnen.<br />

Es ist alltäglich und doch eine der wichtigsten<br />

physikalischen Reaktionen aus<br />

der Welt der Quantenforschung: Licht trifft<br />

auf Materie und das führt zu unterschiedlichsten<br />

Phänomenen; Menschen riskieren einen<br />

Sonnenbrand, schwarze Flächen werden heiß<br />

und in Fotovoltaik-Anlagen entsteht Elektrizität.<br />

Doch was steckt dahinter? Wenn ein<br />

Lichtteilchen, ein Photon, in einem Molekül<br />

auf ein Elektron trifft, schleudert es dieses<br />

aus seiner Bahn. Experten sagen, das Elek -<br />

tron wird angeregt, es gelangt auf eine höhere<br />

Ebene. Dabei hinterlässt es einen leeren<br />

Platz, ein Elektronenloch, mit dem es aber<br />

quantenmechanisch verbunden bleibt. Es ent -<br />

steht ein Quasi-Teilchen, das „Exziton“ ge -<br />

nannt wird.<br />

Doch welche Eigenschaften besitzen<br />

diese Quasi-Teilchen, was vermögen sie, wie<br />

sehen sie aus? Die Klärung dieser Fragen<br />

stellte lange Zeit als große Herausforderung<br />

dar. Forschende der Universitäten Göttingen,<br />

Graz, Kaiserslautern-Landau und Grenoble-<br />

Alpes gelang nun ein entscheidender Durchbruch.<br />

Sie konnten gleich mehrere Bilder<br />

von solchen Exzitonen aufnehmen. Eine be -<br />

merkenswerte Leistung angesichts der rasanten<br />

Veränderung und der winzigen Größe. Es<br />

geht hier um 0,000000000000001 Sekunden<br />

und eine Länge von 0,000000001 Metern.<br />

Die wegweisenden Ergebnisse wurden in der<br />

Fachzeitschrift „Nature Communications“<br />

veröffentlicht.<br />

Wiebke Bennecke, Physikerin an der<br />

Universität Göttingen und Erstautorin der<br />

Studie, führt aus: „Wir erfassen die Änderungen<br />

mit außerordentlich präziser räumlicher<br />

sowie zeitlicher Auflösung und setzen<br />

diese in Bezug mit den theoretischen Vorhersagen<br />

der Quantenmechanik.“ Diese neue<br />

Me thode bezeichnen die Forschenden als<br />

Photoemissions-Exzitonentomographie.<br />

Komplexe Bilder<br />

Diese Technologie ermöglicht es den<br />

WissenschaftlerInnen, die quantenmechanische<br />

Wellenfunktion der Exzitonen messen<br />

Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos<br />

Das Forscherteam (v.l.): Andreas Windischbacher, Christian Kern und Peter Puschnig.<br />

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at<br />

153<br />

und sichtbar machen. Das Team der Universität<br />

Graz trägt wesentlich zur Auswertung<br />

der Daten bei, indem es die theoretischen Mo -<br />

delle für die Analyse bereitstellt. „Der Aufbau<br />

in Göttingen ist einzigartig und kann<br />

diese komplexen Bilder machen. Wir können<br />

dann erklären, was man darauf sieht“, sagt<br />

Peter Puschnig, Leiter des Forschungsteams<br />

an der Universität Graz.<br />

Der Göttinger Physiker Matthijs Jansen<br />

verdeutlicht die Bedeutung der Erkenntnis -<br />

se: „Wir haben organische Halbleiter auf<br />

Kohlenstoffbasis untersucht, die etwa in speziellen<br />

Fotovoltaik-Anlagen oder in den<br />

OLED-Bildschirmen von Smartphones Einsatz<br />

finden.“ Die Aufnahmen veranschauli -<br />

chen, wie sich das Exziton binnen Kürze auf<br />

mehrere Moleküle verteilt und innerhalb we -<br />

niger Femtosekunden (ein Millionstel einer<br />

Milliardstel Sekunde) wieder zusammenschrumpft.<br />

Puschnig betont: „Mit den Ergebnissen<br />

bestätigen wir das theoretische Modell, an<br />

dem wir an der Universität Graz arbeiten.“<br />

Das kann beispielsweise bei der Entwick -<br />

lung neuartiger Fotovoltaik-Technologie auf<br />

organischer Basis hilfreich sein. „Wir verstehen<br />

nun besser, wie der Prozeß der Stromerzeugung<br />

mit solchen Anlagen funktioniert.“<br />

Die Vision hinter der Forschung: Mit neuen<br />

Technologien soll mehr Strom aus dem Sonnenlicht<br />

gewonnen werden.<br />

Nächster Schritt: Videos<br />

Diese neuen Fotos der Exzitonen sind kei -<br />

neswegs der Abschluß der Forschung, sondern<br />

vielmehr der Beginn weiterer intensiver<br />

Analysen. Der nächste Schritt ist die Aufnahme<br />

von Videos des Quasi-Teilchens, sagt<br />

der Göttinger Forscher Jansen: „Wir hoffen,<br />

daß dieses Wissen dazu beitragen wird, effizientere<br />

Materialien für Solarzellen zu entwickeln.“<br />

Auch das Grazer Team widmet<br />

sich nun verstärkt der Weiterentwicklung der<br />

zugrunde liegenden Theorie. Dafür erhielten<br />

die ForscherInnen Finanzmittel aus den<br />

ERC-Grants der EU, unter dem Titel „Orbital<br />

Cinema“.<br />

Die Forschung wurde von der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen<br />

der Sonderforschungsbereiche „Atomare<br />

Kontrolle der Energieumwandlung“ und<br />

„Mathematik des Experiments“ in Göttingen<br />

sowie „Spin+X“ in Kaiserslautern-Landau<br />

gefördert.<br />

n<br />

https://www.uni-graz.at/

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!