GESELLSCHAFTSVERTRAG
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Gemeinschaft; ebensowenig kann man hier von öffentlichen Interessen oder<br />
staatlicher Organisation reden. Hätte dieser Mensch sich die halbe Welt unterworfen,<br />
er ist und bleibt ein einzelner; sein Interesse hat mit dem der andern<br />
nichts zu tun und ist und bleibt ein persönliches Interesse. Stirbt dieser<br />
Mensch, so bleibt sein Reich aufgelöst und ohne Bindung der einzelnen Teile,<br />
wie eine Eiche sich auflöst und in einen Haufen Asche zerfällt, wenn sie vom<br />
Feuer zerstört ist.<br />
Grotius sagt: Ein Volk kann sich einem König unterwerfen; ein Volk ist<br />
somit nach seiner Ansicht bereits ein Volk, ehe es sich einem König unterwirft.<br />
Diese Unterwerfung ist ein politischer Akt, der eine öffentliche Beratung<br />
voraussetzt. Bevor man also diesen Akt untersucht, kraft dessen ein Volk<br />
einen König wählt, ist es angebracht, den Akt zu untersuchen, durch den ein<br />
Volk ein Volk wird; denn dieser muß doch dem andern vorausgehen und ist<br />
die wahre Grundlage der politischen Gemeinschaft.<br />
Denn wenn kein früherer Vertrag besteht, woraus soll man dann, abgesehen<br />
von einer einstimmigen Wahl, die Verpflichtung für die Minderheit ableiten,<br />
sich der Wahl zu fügen? Und mit welchem Recht können hundert, die<br />
einen Herrn wollen, ihn zehn andern aufzwingen, die keinen wollen? Der<br />
Grundsatz, daß die Mehrheit der Stimmen den Ausschlag gibt, beruht ja<br />
selbst auf einer Übereinkunft und setzt wenigstens für einen Fall die Einstimmigkeit<br />
voraus.<br />
I<br />
SECHSTES KAPITEL<br />
DER <strong>GESELLSCHAFTSVERTRAG</strong> 1<br />
ch nehme an, die Menschen waren in eine Lage geraten, in der die Hindernisse,<br />
die dem Verharren im Naturzustande im Wege standen, durch ihren<br />
Widerstand die Kräfte besiegten, die jeder Mensch aufwenden kann, um sich<br />
in diesem Zustande zu halten. Der ursprüngliche Zustand war unhaltbar geworden,<br />
und ohne einen Wechsel in der Art und Weise ihres Daseins hätte die<br />
Menschheit zugrunde gehen müssen.<br />
Die Menschen können nun nicht neue Kräfte in sich wecken, sondern<br />
nur die vorhandenen zusammenfassen und ihnen eine bestimmte Richtung geben.<br />
Um ihre Existenz zu erhalten, bleibt ihnen kein anderes Mittel, als durch<br />
Vereinigung eine Summe von Kräften herzustellen, die den Widerstand brechen<br />
kann, und sie auf einmal und gesammelt einzusetzen.<br />
Diese Summe von Kräften kann aber nur durch das Zusammenwirken<br />
vieler erreicht werden. Wie kann der einzelne seine Kraft und seine Freiheit,<br />
die doch die Hauptmittel zu seiner Erhaltung sind, zur Verfügung stellen,<br />
ohne sich selbst zu schaden und die Pflicht der Selbsterhaltung zu verletzen?<br />
Diese Schwierigkeit läßt sich, auf unseren Gegenstand angewandt, in folgende<br />
Formel fassen: "Eine Form der Gemeinschaft ist zu finden, in der die gemeinsame<br />
Kraft Person und Eigentum jedes Teilhabers schützt und verteidigt<br />
und in der jeder, der sich mit der Gesamtheit verbindet, nur sich selbst gehorcht<br />
und seine frühere Freiheit bewahrt." Dieses Grundproblem findet seine<br />
Lösung durch den Gesellschaftsvertrag 2 .<br />
Die einzelnen Bestimmungen dieses Vertrages sind schon durch den<br />
Charakter des Aktes so genau umrissen, daß die geringste Veränderung sie<br />
1 Im Original “pacte social“<br />
2 Im Original “contrat social“<br />
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