GESELLSCHAFTSVERTRAG
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Staatsbürger irgendein Amt der Staatsgewalt innehat. Übrigens wächst die<br />
Kraft eines Staates mit seiner Ausdehnung, wenn auch nicht in demselben<br />
Verhältnis. Bleibt sich der Staat aber gleich, so wächst die wirkliche Kraft der<br />
Regierung nicht mit der Vermehrung der regierenden Personen, weil ihre<br />
Kraft in der des Staates liegt, dessen Größe unverändert bleibt. So verringert<br />
sich die bedingte Kraft oder Wirksamkeit der Regierung, ohne daß seine wirkliche<br />
oder unbedingte Kraft wachsen kann.<br />
Es ist ferner sicher, daß der Geschäftsgang langsamer wird, je mehr<br />
Leute daran beteiligt sind. Man legt in diesem Fall zu viel Wert auf Vorsicht<br />
und zu wenig auf glückliche Umstände; man läßt günstige Gelegenheiten vorbeigehen<br />
und kommt durch ewiges Überlegen um die Frucht der Überlegung.<br />
Ich habe bewiesen, daß die Kraft der Regierung mit der Zunahme der<br />
regierenden Personen nachläßt. Ich habe ferner bewiesen, daß die bändigende<br />
Macht im Verhältnis der Volkszahl wachsen muß. Daraus folgt, daß sich<br />
die regierenden Personen zur Regierung umgekehrt verhalten wie die Untertanen<br />
zum Träger der Staatsgewalt. Das heißt: je stärker sich der Staat ausdehnt,<br />
um so mehr muß sich die Regierung zusammendrängen, so daß die<br />
Zahl der Regierenden im Verhältnis der wachsenden Volksmenge abnimmt.<br />
Übrigens spreche ich hier nur von der bedingten Kraft der Regierung<br />
und nicht von der Berechtigung des Verhältnisses. Denn der kollegiale Wille<br />
kommt dem Gemeinwillen näher, je zahlreicher die regierenden Personen<br />
sind, während unter der Regierung eines einzelnen der kollegiale Wille, wie<br />
ich gesagt habe, nur ein Einzelwille ist. So verliert man auf der einen Seite,<br />
was man auf der andern gewinnen kann. Die Kunst des Gesetzgebers besteht<br />
gerade darin, den Punkt zu bestimmen, wo Kraft und Wille der Regierung, immer<br />
im gegenseitigen Verhältnis, sich in dem für den Staat günstigsten Verhältnis<br />
vereinigen.<br />
DRITTES KAPITEL<br />
EINTEILUNG DER REGIERUNGSFORMEN<br />
us dem vorigen Kapitel hat man gesehen, warum man die verschiedenen<br />
A Regierungsarten und -formen nach der Zahl ihrer Glieder unterscheidet.<br />
In diesem Kapitel will ich zeigen, wie diese Einteilung vorgenommen wird.<br />
Der Träger der Staatsgewalt kann die Regierung erstens dem ganzen<br />
Volk oder seinem größten Teil anvertrauen, so daß es unter den Staatsbürgern<br />
mehr Regierende als Privatleute gibt. Diese Regierungsform heißt die<br />
Demokratie.<br />
Oder er kann die Regierung auf eine kleine Zahl beschränken, so daß es<br />
mehr bloße Staatsbürger als Regierende gibt; diese Form heißt Aristokratie.<br />
Endlich kann er die ganze Regierung in der Hand eines einzigen Regierenden<br />
vereinigen, von dem alle anderen regierenden Personen ihre Macht<br />
empfangen. Diese dritte Form ist die gewöhnlichste; sie heißt Monarchie oder<br />
königliche Regierung.<br />
Man muß dabei beachten, daß alle diese Formen, oder wenigstens die<br />
beiden ersten, mehr oder weniger dehnbar sind und einen ziemlich großen<br />
Spielraum lassen. Denn die Demokratie kann das ganze Volk umfassen oder<br />
sich auf die Hälfte beschränken. Die Aristokratie kann ihrerseits ganz unbestimmt<br />
von der Hälfte bis zur kleinsten Anzahl verengt werden. Selbst die<br />
Monarchie ist noch teilbar. Sparta hatte verfassungsgemäß ständig zwei Köni-<br />
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