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GESELLSCHAFTSVERTRAG

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ung des Fürsten ausdehnen oder verringern. Die Fähigkeiten einer regierenden<br />

Körperschaft haben dagegen ein bestimmteres Maß, der Staat kann unveränderliche<br />

Grenzen haben, ohne deshalb weniger gut regiert zu werden.<br />

Der fühlbarste Mangel einer Monarchie ist der Mangel einer stetigen<br />

Nachfolge, die bei den beiden anderen Regierungsformen einen ununterbrochenen<br />

Zusammenhang herstellt. Ist der König tot, braucht man einen andern.<br />

Bis zur Neuwahl vergeht eine gefährliche Zeit. Die Wahl selbst geht<br />

stürmisch vor sich und verlangt von den Staatsbürgern eine für diese Regierungsform<br />

ungewöhnliche Selbstverleugnung und Redlichkeit, wenn nicht Intrige<br />

und Bestechung vorkommen sollen. Selten wird der, dem sich der Staat<br />

verkauft hat, ihn nicht weiter verkaufen und sich an den Schwachen für das<br />

Geld schadlos halten, das die Mächtigen von ihm erpreßt haben. Früher oder<br />

später wird unter einer solchen Regierung alles käuflich, und die Ruhe, die<br />

man jetzt unter den Königen genießt, ist schlimmer als die Unordnung vor der<br />

Wahl eines neuen Königs.<br />

Was hat man getan, um solchen Mißständen zu begegnen? Man hat die<br />

Krone in bestimmten Familien erblich gemacht und eine Thronfolge festgesetzt,<br />

die jedem Streit beim Tode des Königs vorbeugt. Das heißt, man hat das<br />

Regentschaftsübel an die Stelle der Wahlübel gesetzt und eine scheinbare<br />

Ruhe einer klugen Regierung vorgezogen. Man wollte lieber Gefahr laufen,<br />

Kinder, Ungeheuer und Schwachköpfe zu Monarchen zu haben, um den Streit<br />

bei der Wahl guter Könige zu vermeiden. Man hat dabei nicht bedacht, daß<br />

man fast alle Wahrscheinlichkeit gegen sich hat, wenn man sich so allen Zufällen<br />

aussetzt. Der junge Dionys gab seinem Vater eine sehr vernünftige Antwort,<br />

als dieser ihm eine ehrlose Handlung mit den Worten vorwarf: “Hab ich<br />

dir so ein Beispiel gegeben?" — "Ach," erwiderte der Sohn, "Euer Vater war<br />

kein König."<br />

Alles trägt dazu bei, einem Menschen, der zum Befehlen erzogen wird,<br />

Gerechtigkeit und Vernunft zu rauben. Es heißt, man gibt sich viele Mühe,<br />

den jungen Prinzen die Regierungskunst beizubringen. Es wäre wirklich besser,<br />

man brächte ihnen zuerst die Kunst des Gehorchens bei. Die größten Könige,<br />

deren Ruhm in der Geschichte lebt, sind nicht zum Herrschen erzogen<br />

worden. Man besitzt diese Kunst niemals weniger, als wenn man sie studiert<br />

hat; durch Gehorchen erwirbt man sie besser als durch Befehlen. "Denn die<br />

zweckmäßigste und schnellste Wahl zwischen Gutem und Schlechtem kommt<br />

dann zustande, wenn du dir überlegst, was dir unter einer anderen Regierung<br />

gefallen oder nicht gefallen hat" (Tacitus, Geschichte, I, 16).<br />

Eine Folge der Zusammenhangslosigkeit ist die Ungleichmäßigkeit der<br />

monarchischen Regierung. Sie folgt mal diesem und mal jenem Plan, je nach<br />

dem Charakter des regierenden Fürsten oder der Regenten, und kann weder<br />

ein bestimmtes Ziel noch eine folgerichtige Politik lange durchführen. Dieser<br />

Wechsel läßt den Staat ständig zwischen verschiedenen Grundsätzen und Plänen<br />

hin und her schwanken; bei den anderen Regierungsformen, unter denen<br />

der Fürst immer derselbe bleibt, ist das nicht der Fall. Daher trifft man auch<br />

am Hofe mehr Schlauheit, in einer Körperschaft mehr Weisheit an. Die Republiken<br />

erreichen ihr Ziel durch stetigere und beharrlichere Pläne. Jede Veränderung<br />

im Kabinett hat auch eine im Staate zur Folge, denn der allgemeine<br />

Grundsatz aller Kabinette und fast aller Könige ist, in allen Fällen im Gegensatz<br />

zu ihren Vorgängern zu handeln.<br />

Diese Zusammenhangslosigkeit gibt auch die Lösung eines Trugschlusses,<br />

den die Anhänger des Königtums so gern ziehen. Sie vergleichen nicht<br />

nur die staatsbürgerliche Regierung mit dem Hausregiment und den Fürsten<br />

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