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GESELLSCHAFTSVERTRAG

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Staatskörpers unvereinbar und widerspricht dem Zweck der Gemeinschaftsbildung.<br />

Ich nenne also "Regierung 1 " oder oberste Verwaltung die rechtmäßige<br />

Ausübung der ausführenden Gewalt 2 , und Fürst oder Behörde 3 die mit dieser<br />

Tätigkeit betraute Person oder Körperschaft.<br />

In der Regierung liegen die vermittelnden Kräfte, deren gegenseitige<br />

Beziehungen das Verhältnis des Ganzen zum Ganzen und des Trägers der<br />

Staatsgewalt zum Staat ausmachen. Man kann es durch das Verhältnis der<br />

beiden äußersten Glieder einer stetigen Proportion ausdrücken, deren mittlere<br />

Proportionale die Regierung ist. Die Regierung erhält vom Träger der<br />

Staatsgewalt die Befehle, die sie an das Volk weitergibt. Damit der Staat im<br />

gehörigen Gleichgewicht bleibt, muß sich alles gegenseitig ausgleichen: das<br />

Produkt der Regierungsgewalt muß gleich dem Produkt der Gewalt der<br />

Staatsbürger sein, die einerseits Untertanen, andrerseits Träger der Staatsgewalt<br />

sind.<br />

Man kann sogar keins der drei Glieder verändern, ohne sofort das Verhältnis<br />

zu zerstören. Wenn der Träger der Staatsgewalt regieren oder die Behörde<br />

Gesetze geben will oder wenn die Untertanen den Gehorsam verweigern,<br />

tritt Unordnung an die Stelle der Ordnung. Kraft und Wille wirken nicht<br />

mehr zusammen, der Staat löst sich auf und verfällt der Gewaltherrschaft<br />

oder der Anarchie. Kurz, wie jedes Verhältnis nur eine mittlere Proportionale<br />

haben kann, ist in einem Staate nur eine gute Regierung möglich. Da aber<br />

zahlreiche Ereignisse die Verhältnisse eines Volkes ändern können, passen<br />

verschiedene Regierungsformen nicht bloß zu verschiedenen Völkern, sondern<br />

auch zu demselben Volk in verschiedenen Zeiten.<br />

Ich will versuchen, von den verschiedenen Verhältnissen, die zwischen<br />

den beiden äußersten Gliedern bestehen können, einen Begriff zu geben. Als<br />

Beispiel wähle ich die Volkszahl, da ihr Verhältnis am leichtesten auszudrücken<br />

ist.<br />

Nehmen wir an, der Staat bestände aus zehntausend Staatsbürgern.<br />

Der Träger der Staatsgewalt kann nur als Kollektivwesen und als Körperschaft<br />

betrachtet werden. Jeder Privatmann muß aber in seiner Eigenschaft<br />

als Untertan individuell betrachtet werden. Folglich verhält sich der Träger<br />

der Staatsgewalt zum Untertan wie zehntausend zu eins, d. h. jedes Glied des<br />

Staates besitzt nur den zehntausendsten Teil der Staatsgewalt, obwohl er ihr<br />

ganz unterworfen ist. Angenommen, das Volk besteht aus hunderttausend<br />

Menschen, so ändert sich die Stellung der Untertanen dadurch nicht, jeder ist<br />

wieder dem ganzen Umfang der Gesetze unterworfen. Aber seine Stimme ist<br />

auf ein Hunderttausendstel vermindert und hat jetzt zehnmal weniger Einfluß<br />

auf die Gesetzgebung. Der Untertan bleibt immer eins, die Größe des Trägers<br />

der Staatsgewalt dagegen nimmt mit der Zahl der Staatsbürger zu. Daraus<br />

folgt: die Freiheit verringert sich in dem Maße, wie sich der Staat vergrößert.<br />

Wenn ich sage, die Größe nimmt zu, so meine ich, die Gleichheit wird<br />

aufgehoben. Je größer also das Verhältnis im mathematischen Sinne ist, um<br />

so kleiner ist es nach gewöhnlichen Begriffen. Im ersten Fall wird das Verhältnis<br />

der Zahl nach betrachtet und durch den Exponenten 4 gemessen; im zweiten<br />

Fall vom Standpunkt der Identität betrachtet und nach der Ähnlichkeit beurteilt.<br />

1 Im Original “gouvernement“, nicht in Anführungszeichen stehend<br />

2 Im Original “puissance exécutive“<br />

3 Im Original “prince ou magistrat“<br />

4 Im Original “l'exposant“, gemeint ist aber der Nenner des mathematischen Bruches, also<br />

100.000 usw.<br />

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