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GESELLSCHAFTSVERTRAG

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Die vier städtischen Tribus vermehrte Servius durch fünfzehn ländliche;<br />

sie setzten sich aus den Bewohnern des flachen Landes zusammen und waren<br />

in ebenso viele Bezirke geteilt. Später schuf man ebensoviel neue, das römische<br />

Volk war schließlich in 35 Tribus geteilt, eine Zahl, die man bis zum<br />

Ende der Republik beibehielt.<br />

Aus dieser Unterscheidung der städtischen und ländlichen Tribus ergab<br />

sich eine bemerkenswerte Wirkung, die sonst ohne Beispiel ist und der Rom<br />

die Behauptung seiner Lebensgewohnheiten und die Ausbreitung seines<br />

Reichs verdankt. Man könnte annehmen, die städtischen Tribus hätten sich<br />

bald alle Macht und Ehren angemaßt und die ländlichen Tribus unterdrückt;<br />

aber das Gegenteil war der Fall. Man kennt die Neigung der ersten Römer für<br />

das Landleben. Diese Neigung hatte ihnen der kluge Staatsgründer beigebracht,<br />

der die Freiheit mit dem bäuerlichen Stand und Heeresdienst verknüpfte<br />

und Künste, Handwerk, Intrigen, Vermögen und Sklaverei sozusagen<br />

in die Stadt verbannte.<br />

So haben alle hervorragenden Männer Roms auf dem Lande gelebt und<br />

ihre Güter bebaut; man gewöhnte sich daran, in dem Bauernstand die Stütze<br />

der Republik zu sehen. Er war der würdigste Adel und wurde von allen mit<br />

Achtung behandelt. Das einfache und arbeitsame Leben der Dorfbewohner<br />

wurde dem müßigen und lässigen Leben der Bürger Roms vorgezogen; und<br />

mancher elende städtische Proletarier wurde als Bauer ein geachteter Staatsbürger.<br />

Nicht ohne Grund behauptete Varro 1 , daß unsere edlen Vorfahren<br />

das Dorf zur Schule der kräftigen und tapferen Männer machten, die sie in<br />

Kriegszeiten schützten und verteidigten und in Friedenszeiten ernährten. Plinius<br />

erklärt offen, daß die ländlichen Tribus ihrer Männer wegen geehrt waren,<br />

während man die Feiglinge, die man demütigen wollte, zur Schande in<br />

die Stadt schickte. Der Sabiner Appius Claudius, der sich in Rom niederlassen<br />

wollte, wurde dort mit Ehren überhäuft und in eine ländliche Tribus eingetragen,<br />

die später den Namen seiner Familie annahm. Schließlich wurden die<br />

Freigelassenen sämtlich Mitglieder der städtischen Tribus, niemals der ländlichen;<br />

und während der ganzen Dauer der Republik gibt es nicht ein einziges<br />

Beispiel dafür, daß ein Freigelassener, der das Bürgerrecht erworben hatte,<br />

es zu einem öffentlichen Amt brachte. Dieser Grundsatz ist ausgezeichnet,<br />

aber er wurde soweit getrieben, daß sich schließlich eine Änderung und sicherlich<br />

auch eine Schädigung der Ordnung ergab.<br />

Zuerst gestatteten die Zensoren, nachdem sie sich schon lange das<br />

Recht genommen hatten, willkürlich die Staatsbürger von einer Tribus in eine<br />

andere zu versetzen, den meisten, sich in irgendeine nach Belieben eintragen<br />

zu lassen. Diese Erlaubnis brachte nichts Gutes und beraubte die Zensoren eines<br />

ihrer wichtigsten Mittel. Ferner ließen sich die Großen und Mächtigen<br />

alle in eine ländliche Tribus eintragen, und die Freigelassenen, die das Bürgerrecht<br />

erworben hatten, blieben mit dem Pöbel in den städtischen Tribus.<br />

Auf diese Weise hatten die Tribus im allgemeinen keinen bestimmten Wohnsitz<br />

oder Boden mehr, sondern waren alle durcheinander gemischt, und die<br />

einzelnen Glieder konnte man nur mit Hilfe der Listen voneinander unterscheiden.<br />

Der Begriff Tribus verlor seinen sachlichen und bekam einen persönlichen<br />

Inhalt oder bestand vielmehr fast nur noch in der Einbildung.<br />

Es kam ferner vor, daß die städtischen Tribus, da sie näher wohnten,<br />

bei den Volksversammlungen oft die stärksten waren und den Staat an Leute<br />

verschacherten, die die Stimmen des versammelten Pöbels kaufen wollten.<br />

1 Varro - Marcus Terentius Varro, römischer Universalgelehrter, † -27<br />

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