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GESELLSCHAFTSVERTRAG

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der ihm gesetzlich zustehenden unbegrenzten Machtbefugnis die Verschwörung<br />

leicht auseinanderjagen können. Es gelang schließlich nur durch ein Zusammentreffen<br />

glücklicher Umstände, sie zu ersticken. Darauf sollte menschliche<br />

Klugheit nie warten.<br />

Statt dessen begnügte sich der Senat, seine ganze Macht auf die Konsuln<br />

zu übertragen; so bekam sie Cicero, der, um wirksam einzugreifen, gezwungen<br />

war, diese Macht in einem wichtigen Punkte zu überschreiten. Wenn<br />

auch der erste Freudenausbruch sein Verhalten billigte, so war es doch gerecht,<br />

daß man später von ihm Rechenschaft für das gesetzwidrig vergossene<br />

Bürgerblut verlangte; diesen Vorwurf hätte man einem Diktator nicht machen<br />

können. Allerdings riß die Beredsamkeit des Konsuls alle mit sich. Er selbst,<br />

obwohl ein Römer, liebte seinen Ruhm mehr als sein Vaterland und wollte weniger<br />

den Staat auf die gesetzmäßigste und sicherste Art retten, als die ganze<br />

Ehre für sich in Anspruch nehmen 1 . Daher wurde er auch mit Recht als Befreier<br />

Roms geehrt und mit Recht als Übertreter der Gesetze bestraft. Seine<br />

Zurückberufung war zwar glänzend, bedeutete aber sicherlich nur eine Begnadigung.<br />

Auf welche Weise auch diese wichtige Ermächtigung erteilt wird, auf jeden<br />

Fall muß man ihre Dauer auf einen sehr kurzen Zeitraum beschränken,<br />

der nie verlängert werden darf. In den Krisen, die seine Einsetzung erforderlich<br />

machen, wird der Staat entweder bald vernichtet oder gerettet. Ist der<br />

Notstand vorüber, wirkt die Diktatur tyrannisch oder als leerer Titel. In Rom<br />

blieben die Diktatoren nur sechs Monate im Amt, die Mehrzahl dankte vorzeitig<br />

ab. Wenn die Amtsdauer länger gewesen wäre, hätten sie sich vielleicht<br />

versucht gefühlt, den Termin noch weiter hinauszuschieben, wie die Dezemvirn<br />

sich selbst ein Jahr zulegten. Der Diktator hatte nur Zeit, die Gefahr, die<br />

seine Wahl veranlaßt hatte, zu beseitigen; er hatte keine Zeit, an andere Pläne<br />

zu denken.<br />

W<br />

SIEBENTES KAPITEL<br />

DIE ZENSUR<br />

ie die Erklärung des Gemeinwillens durch das Gesetz geschieht, so<br />

kommt die öffentliche Meinung in der Zensur zum Ausdruck. Die öffentliche<br />

Meinung ist eine Art Gesetz, dessen Diener der Zensor ist, der sie,<br />

wie der Fürst, in besonderen Fällen anzuwenden hat.<br />

Die Zensur ist keineswegs der Schiedsrichter der Volksmeinung, sondern<br />

nur ihr Verkünder; sobald er sich von ihr entfernt, sind seine Entscheidungen<br />

nichtig und wirkungslos.<br />

Es ist nutzlos, die Moral eines Volkes von den Gegenständen ihrer Vorliebe<br />

zu trennen, denn dies hängt alles grundsätzlich miteinander zusammen<br />

und muß unbedingt gemeinsam betrachtet werden. Bei allen Völkern der Erde<br />

entscheidet nicht die Natur, sondern die Meinung über das, was ihnen gefällt.<br />

Führt man die Meinungen auf den richtigen Weg, so werden sich ihre Sitten<br />

von selbst bessern. Man liebt immer das, was schön ist oder was man dafür<br />

hält, aber in diesem Urteil täuscht man sich; man muß also das Urteil regulie-<br />

1 Der Vorschlag, einen Diktator zu wählen, konnte ihm diese Ehre nicht verbürgen; denn er<br />

hatte nicht den Mut, sich selbst zu ernennen, und konnte auch nicht sicher sein, daß sein<br />

Kollege ihn ernennen würde. [JJR]<br />

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