GESELLSCHAFTSVERTRAG
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Je mehr regierende Personen es also gibt, umso schwächer ist die Regierung.<br />
Da dieser Grundsatz von wesentlicher Bedeutung ist, will ich mir<br />
Mühe geben, ihn näher zu erläutern.<br />
Wir können in der Regierung drei wesentlich verschiedene Willensrichtungen<br />
unterschieden: erstens den besonderen Willen des Individuums, der<br />
nur seinen besonderen Vorteil bezweckt 1 ; zweitens den Gemeinwillen aller<br />
regierenden Personen, der sich einzig auf den Vorteil des Fürsten 2 bezieht<br />
und den man den kollegialen Willen nennen kann; im Verhältnis zur Regierung<br />
ist er ein Gemeinwille, im Verhältnis zum Staat, von dem die Regierung<br />
einen Teil bildet, ein Sonderwille; drittens den Willen des Volkes oder den<br />
Willen des Trägers der Staatsgewalt; er ist Gemeinwille im Verhältnis zum<br />
Staat als Ganzem und im Verhältnis zur Regierung als Teil des Ganzen.<br />
In einer vollkommenen Regierung darf der Sonder- oder Einzelwille keine<br />
Bedeutung haben, der kollegiale Wille der Regierung eine sehr untergeordnete.<br />
Folglich muß der Gemeinwille des Trägers der Staatsgewalt immer vorherrschen<br />
und für alle anderen maßgebend sein.<br />
Nach einem natürlichen Gesetz gewinnen dagegen diese verschiedenen<br />
Willen an Spannung, je mehr sie nach einem Mittelpunkt hindrängen. So ist<br />
der Gemeinwille immer der schwächste, dann kommt der kollegiale Wille, und<br />
der Sonderwille nimmt die erste Stelle ein. In einer Regierung ist also jedes<br />
Mitglied zuerst er selbst, dann Regierender, dann Staatsbürger. Es ergibt sich<br />
eine Abstufung, die der von der Staatsordnung geforderten gerade entgegengesetzt<br />
ist.<br />
Nehmen wir nach dieser Voraussetzung an, daß die Regierung in der<br />
Hand eines einzelnen ist, so fallen Sonderwille und kollegialer Wille vollkommen<br />
zusammen, folglich hat der Wille hier den höchstmöglichen Grad innerer<br />
Kraft erreicht. Da die Anwendung der Kraft von dem Grad des Willens abhängt<br />
und die unbedingte Kraft der Regierung sich nicht verändert, folgt daraus,<br />
daß die Regierung eines einzelnen die wirksamste ist.<br />
Verbinden wir dagegen die Regierung mit der gesetzgebenden Gewalt,<br />
machen wir aus dem Träger der Staatsgewalt den Fürsten und aus allen<br />
Staatsbürgern ebenso viele regierende Personen, dann wird der kollegiale<br />
Wille in Verbindung mit dem Gemeinwillen nicht wirksamer sein als dieser<br />
und wird den Sonderwillen in seiner ganzen Kraft bestehen lassen. Auf diese<br />
Art wird die Regierung, wenn sie auch immer dieselbe unbedingte Kraft besitzt,<br />
doch ihr geringstes Maß an bedingter Kraft oder Wirksamkeit besitzen.<br />
Diese Verhältnisse bestehen zweifellos, und andere Erwägungen sind<br />
eine weitere Bestätigung dafür. Man erkennt z. B., daß jede regierende Person<br />
in ihrer Körperschaft wirksamer ist als jeder Staatsbürger in seiner, und<br />
daß folglich der Sonderwille mehr Einfluß auf die Handlungen der Regierung<br />
hat als auf die des Trägers der Staatsgewalt; denn jedes Mitglied, der Regierung<br />
ist fast immer mit einem Regierungsamt betraut, während kein einzelner<br />
1 Das nennt man Lobbyarbeit. Man verhält sich zu einem Industriezweig wohlwollend und<br />
kann nach Ablauf der staatlichen Tätigkeit mit einem gutbezahlten Job daselbst rechnen.<br />
Hier sind die GRÜNEN führend. Ein besonders dreistes Beispiel lieferte Otto Wiesheu. Im<br />
Herbst 2005 nahm er für die CSU an den Verhandlungen zur Bildung der Großen Koalition<br />
teil und leitete den Bereich Verkehrspolitik. Unmittelbar danach kündigte er sein Ausscheiden<br />
aus der Politik an und legte sein Ministeramt und seine Abgeordnetenmandate nieder.<br />
Nach seinem Rückzug aus der Politik wurde Wiesheu am 12. November 2005 in den Vorstand<br />
der Deutschen Bahn AG berufen. Er trat diese Position am 1. Januar 2006 an und<br />
übernahm das Ressort Wirtschaft und Politik. Forderungen nach einem Ethik-Codex für Politiker<br />
sind bis heute verhallt.<br />
2 Fürst “l'avantage du prince“ hier und im folgenden als Synonym für den Vorteil des Trägers<br />
der Staatsgewalt zu verstehen<br />
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