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GESELLSCHAFTSVERTRAG

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Staates Straflosigkeit zu. Unter der Republik fühlten sich in Rom Senat und<br />

Konsul nie versucht, Gnade zu üben; selbst das Volk tat es nicht, wenn es<br />

auch manchmal sein eigenes Urteil widerrief. Häufige Begnadigungen deuten<br />

darauf hin, daß die Verbrechen bald auf sie verzichten können, und jeder<br />

sieht, wohin das führt. Aber mein Gefühl erhebt hier Einspruch gegen das<br />

starre Recht und will meine Feder zurückhalten. Wir wollen die Prüfung dieser<br />

Fragen dem makellosen Menschen überlassen, der sich nie verging und<br />

niemals Gnade nötig hatte.<br />

D<br />

SECHST£S KAPITEL<br />

DAS GESETZ<br />

urch den Gesellschaftsvertrag haben wir dem politischen Körper Dasein<br />

und Leben gegeben; jetzt gilt es, ihn durch die Gesetzgebung mit Tätigkeit<br />

und Willen zu erfüllen. Denn der ursprüngliche Akt, durch den er sich bildet<br />

und zusammenschließt, bestimmt noch nicht, was er zu seiner Erhaltung<br />

zu tun hat.<br />

Was gut ist und der Ordnung entspricht, ist durch sein eigenes Wesen<br />

bedingt, unabhängig von menschlichen Vereinbarungen. Jede Gerechtigkeit<br />

kommt von Gott, er allein ist ihre Quelle. Könnten wir sie aber uns von ihm<br />

holen, brauchten wir weder Regierung noch Gesetze. Zweifellos gibt es eine<br />

ideale Gerechtigkeit, die ihren Grund allein in der Vernunft hat. Aber um unter<br />

uns Anerkennung zu finden, muß sie gegenseitig sein. Vom menschlichen<br />

Standpunkt aus haben die Gesetze der idealen Gerechtigkeit keine Bedeutung<br />

unter den Menschen, da sie von der Natur nicht bestätigt sind. Sie dienen nur<br />

zum Vorteil des schlechten und zum Nachteil des gerechten Menschen, wenn<br />

dieser sie allen gegenüber beachtet, ohne daß einer es ihm gegenüber tut.<br />

Man braucht also Vereinbarungen und Gesetze, um Rechte mit Pflichten in<br />

Einklang zu bringen und die Gerechtigkeit wieder zu ihrem eigentlichen Gegenstand<br />

hinzuführen. Im Naturzustand, wo alles gemeinsam ist, bin ich keinem<br />

etwas schuldig, weil ich nichts versprochen habe; und nur was ich nicht<br />

gebrauchen kann, erkenne ich als fremdes Eigentum an. In dem staatsbürgerlichen<br />

Zustand ist es anders, denn hier sind alle Rechte durch das Gesetz festgelegt.<br />

Aber was ist denn schließlich ein Gesetz? Solange man sich damit begnügt,<br />

diesem Wort einen übersinnlichen Begriff beizulegen, wird man philosophieren,<br />

ohne sich zu verstehen; und wenn man dann das Naturgesetz erklärt<br />

hat, wird man immer noch nicht wissen, was ein Staatsgesetz ist.<br />

Ich habe bereits gesagt, daß es keinen Gemeinwillen mit einem besonderen<br />

Gegenstand gibt. Entweder gehört der besondere Gegenstand zum<br />

Staat oder nicht. Gehört er nicht dazu, so kann ein Wille, der nichts mit ihm<br />

zu tun hat, auf ihn bezogen kein Gemeinwille sein. Gehört er zum Staat, so ist<br />

er ein Teil von ihm; dann entsteht zwischen dem Ganzen und seinem Teil ein<br />

Verhältnis, das zwei getrennte Wesen aus ihnen macht; das eine ist der Teil,<br />

das andere das um den Teil verminderte Ganze. Aber das um einen Teil ver-<br />

26<br />

sammenhängendes Sistem in ihrer Regierung befolgen, der hiesige Hof aber dieses Sistem<br />

bloß zum Schein geborgt hatte, und seine übrige Wirthschaft mit dieser Philosophie nicht<br />

übereinstimmte. Man wußte hier nicht, wie in jenen Staaten, durch nüzliche Beschäftigung<br />

der Müßiggänger das Land von herumstreifendem Gesindel rein zu halten. Man sorgte<br />

nicht dafür, durch gute Erziehung, mehrere Aufklärung, Verbesserung der Sitten und Ermunterung<br />

zum Arbeiten die Unterthanen vom Stehlen und Rauben abgeneigt zu machen.“

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