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GESELLSCHAFTSVERTRAG

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es entstand eine Wahlaristokratie. Schließlich vererbte sich zusammen mit<br />

dem Eigentum auch die Macht vom Vater auf die Kinder; es entstanden Patrizierfamilien,<br />

die Regierung wurde erblich, und man sah zwanzigjährige Senatoren.<br />

Es gibt also drei Arten von Aristokratien: eine natürliche, eine Wahl-<br />

und eine Erbaristokratie. Die erste eignet sich nur für einfache Völker; die<br />

dritte ist die schlechteste von allen Regierungsformen; die zweite ist die beste,<br />

sie ist die eigentliche Aristokratie.<br />

Außer dem Vorteil der Trennung der beiden Gewalten gewährt diese Art<br />

noch den, daß ihre Mitglieder gewählt werden. In der Volksregierung sind<br />

alle Staatsbürger geborene Regierende, aber die aristokratische beschränkt<br />

diese auf eine kleine Zahl, die durch Wahl eingesetzt wird 1 . Dadurch werden<br />

Ehrlichkeit, Einsicht, Erfahrung und alles, was sonst Bevorzugung und Achtung<br />

im Gemeinwesen veranlaßt, zu immer neuen Bürgschaften einer klugen<br />

Regierung.<br />

Außerdem lassen sich die Versammlungen bequemer einberufen; es läßt<br />

sich besser verhandeln, und der Geschäftsgang ist ordentlicher und genauer.<br />

Dem Ausland gegenüber wird das Ansehen des Staates durch ehrwürdige Senatoren<br />

besser gewahrt als durch eine unbekannte und verachtete Menge.<br />

Die beste und natürlichste Ordnung ist mit einem Worte die, daß die<br />

Weisesten die Masse regieren, wenn man sicher ist, daß sie zum Besten der<br />

Masse regieren und nicht zu ihrem eigenen Vorteil. Man soll die Mittel nicht<br />

ohne Not vervielfältigen, noch mit zwanzigtausend Menschen machen wollen,<br />

was hundert auserlesene Menschen besser machen können. Aber man muß<br />

dabei bedenken, daß das kollegiale Interesse hier die Kraft des Staates schon<br />

weniger nach der Vorschrift des Gemeinwillens lenkt und daß so eine andere<br />

unvermeidliche Neigung den Gesetzen einen Teil ihrer Vollzugsgewalt nimmt.<br />

Mit Rücksicht auf die besonderen Beziehungen braucht der Staat nicht,<br />

wie bei einer guten Demokratie so klein, noch das Volk so einfach und redlich<br />

zu sein, daß die Ausführung der Gesetze der Äußerung des Gemeinwillens unmittelbar<br />

folgt. Das Volk darf auch nicht so groß sein, daß jedes einzelne<br />

Oberhaupt in seinem Bezirk den Träger der Staatsgewalt spielt, sich unabhängig<br />

macht, um schließlich unumschränkter Herr zu werden.<br />

Aber wenn die Aristokratie weniger Tugenden fordert als die Volksregierung,<br />

so verlangt sie dafür andere, ihr eigentümliche, wie ein maßvolles<br />

Verhalten der Reichen und die Genügsamkeit der Armen. Denn eine strenge<br />

Gleichheit scheint hier nicht angebracht; selbst in Sparta war sie nicht durchgeführt.<br />

Wenn diese Regierungsform sich übrigens mit einer gewissen Ungleichheit<br />

der Vermögensverhältnisse verträgt, so liegt der Grund darin, daß man<br />

im allgemeinen die staatliche Verwaltungstätigkeit Männern anvertraut, die<br />

ihnen ihre meiste Zeit widmen können, nicht aber, wie Aristoteles behauptet,<br />

damit die Reichen immer bevorzugt werden. Die Wahl muß auch öfters auf<br />

andere Männer fallen, um dem Volk zu zeigen, daß persönliches Verdienst wesentlicheren<br />

Anspruch auf Vorrang hat als Reichtum,<br />

1 Es ist seht wichtig, die Form, in der die Wahl der Regierenden vor sich geht, gesetzlich zu<br />

regeln. Denn wenn man sie dem Belieben des Fürsten überläßt, so verfällt man unvermeidlich<br />

der Erbaristokratie, wie es den Republiken Venedig und Bern gegangen ist. Deshalb<br />

hat sich auch die erste Republik schon längst aufgelöst, die zweite hält sich nur noch<br />

durch die hervorragende Weisheit des Senats; sie ist eine ehrenvolle und sehr gefährliche<br />

Ausnahme. [JJR]<br />

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