GESELLSCHAFTSVERTRAG
GESELLSCHAFTSVERTRAG
GESELLSCHAFTSVERTRAG
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
mit dem Hausvater (ein Irrtum, den ich schon widerlegt habe); sondern sie legen<br />
dieser Staatsperson freigebig noch alle Eigenschaften bei, die er nötig<br />
hätte, und nehmen immer an, der Fürst ist wirklich immer so, wie er sein sollte.<br />
Unter dieser Voraussetzung ist allerdings die monarchische Regierung allen<br />
vorzuziehen, weil sie unstreitig die stärkste ist; sie wäre auch die beste,<br />
wenn ihr Regierungswille dem Gemeinwillen besser entspräche.<br />
Wenn aber nach Plato ("Über den Staat") der geborene König eine so<br />
seltene Erscheinung ist, wie selten werden Natur und Glück sich vereinigen,<br />
um ihn auf den Thron zu bringen? Und wenn die königliche Erziehung unbedingt<br />
ihre Zöglinge verdirbt, was kann man dann von einer Reihe von Menschen<br />
erwarten, die zum Herrschen erzogen werden? Die Verwechslung der<br />
monarchischen Regierung mit einem guten König ist also eine absichtliche<br />
Selbsttäuschung. Um diese Regierungsform an sich zu bewerten, muß man<br />
sie unter beschränkten oder schlechten Fürsten betrachten; denn als solche<br />
kommen sie meistens auf den Thron, oder der Thron macht sie dazu.<br />
Diese Schwierigkeiten sind unseren Schriftstellern nicht entgangen,<br />
aber sie lassen sich dadurch nicht in Verlegenheit bringen. Das Beste sei, sagen<br />
sie, gehorchen, ohne zu klagen. Gott schickt die schlechten Könige in seinem<br />
Zorn, und man muß sie als himmlische Strafe hinnehmen. Das ist allerdings<br />
ein erbauliches Wort; mir kommt es nur vor, als gehört es auf die<br />
Kanzel und nicht in ein politisches Buch. Was soll man von einem Arzt halten,<br />
der uns Wunder verspricht, und dessen ganze Kunst darin besteht, den Kranken<br />
zur Geduld zu mahnen? Daß man eine schlechte Regierung ertragen muß,<br />
wenn man sie einmal hat, ist bekannt; die Frage ist nur, wie man eine gute<br />
findet.<br />
G<br />
SIEBENTES KAPITEL<br />
GEMISCHTE REGIERUNGSFORMEN<br />
enau genommen, gibt es keine einfache Regierungsform. Ein einzelnes<br />
Oberhaupt braucht Unterbehörden, eine Volksregierung braucht ein<br />
Oberhaupt. Bei der Verteilung der ausübenden Gewalt ist also die Zahl der<br />
Ausübenden einer bestimmten Stufenfolge unterworfen; bald hängt die große<br />
Zahl von der kleinen ab, bald die kleine von der großen.<br />
Manchmal besteht eine gleichmäßige Verteilung. Entweder stehen die<br />
beiden wesentlichen Teile in gegenseitiger Abhängigkeit, wie in England,<br />
oder die Macht jedes Teils ist unabhängig, aber beschränkt, wie in Polen. Die<br />
letzte Form ist schlecht, weil es der Regierung an Einheit fehlt und dem Staat<br />
an innerem Zusammenhang.<br />
Ist eine einfache oder eine gemischte Regierungsform besser? Diese<br />
Frage hat die Politiker immer leidenschaftlich erregt. Man kann sie durch dieselbe<br />
Antwort entscheiden, die ich über die Regierungsformen überhaupt gegeben<br />
habe.<br />
Die einfache Regierungsform ist schon ihrer Einfachheit wegen an sich<br />
die beste. Wenn aber die ausübende Gewalt zu wenig von der gesetzgebenden<br />
abhängig ist, d. h. wenn die Beziehung zwischen Fürst und Träger der Staatsgewalt<br />
weiter ist als die zwischen Volk und Fürst, so muß man dem schlechten<br />
Verhältnis durch Teilung der Regierung abhelfen. Dann behalten zwar alle<br />
ihre Teile dieselbe Macht über die Untertanen, aber die Teilung hat sie dem<br />
Träger der Staatsgewalt gegenüber geschwächt.<br />
50