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GESELLSCHAFTSVERTRAG

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nen, die Aristokratie für Völker mittleren Reichtums und mittlerer Größe und<br />

die Demokratie für kleine und arme Staaten.<br />

Je mehr man darüber nachdenkt, um so mehr findet man in der Tat hierin<br />

den Unterschied zwischen Freistaaten und Monarchien. In den ersten wird<br />

alles für den gemeinschaftlichen Nutzen verwandt; in den anderen stehen die<br />

staatlichen und privaten Kräfte in Wechselbeziehung; die einen wachsen auf<br />

Kosten der anderen. Kurz, anstatt die Untertanen zu regieren, um sie glücklich<br />

zu machen, macht der Despotismus sie elend, um sie regieren zu können.<br />

Aus den besonderen geographischen Verhältnissen eines Landes läßt<br />

sich ableiten, welche Regierungsform und was für Bewohner den klimatischen<br />

Bedingungen entsprechen.<br />

Ein magerer und unfruchtbarer Boden, dessen Ertrag nicht die Arbeit<br />

lohnt, muß unbebaut und öde bleiben oder nur von Wilden bevölkert werden.<br />

Die Gegenden, in denen die menschliche Arbeit nur gerade die Bedürfnisse<br />

deckt, müssen von unkultivierten Völkern bewohnt werden; jede staatliche<br />

Ordnung wäre unmöglich. Die Gegenden, in denen die Arbeit einen mäßigen<br />

Überschuß abwirft, eignen sich für freie Völker; ein reiches und fruchtbares<br />

Gebiet, das geringe Arbeit mit großem Ertrag lohnt, will monarchisch regiert<br />

werden, damit der bedeutende Überschuß der Untertanen durch fürstlichen<br />

Aufwand aufgebraucht wird; es ist jedenfalls besser, der Überschuß wird von<br />

der Regierung verbraucht, als von Privatleuten verschwendet. Ich weiß, daß<br />

es Ausnahmen gibt. Aber diese Ausnahmen bestätigen insofern nur die Regel,<br />

als sie über kurz oder lang Revolutionen hervorrufen, die alles wieder in die<br />

natürliche Ordnung bringen.<br />

Wir müssen stets die allgemeinen Gesetze von den besonderen Ursachen<br />

unterscheiden, die ihre Wirkung beeinträchtigen können. Wenn der ganze<br />

Süden mit Republiken bedeckt wäre und der ganze Norden mit Despotenreichen,<br />

so bliebe es doch richtig, daß auf Grund des Klimas der Despotismus<br />

sich für heiße Länder eignet, die Unkultur für kalte und die gute Staatsverfassung<br />

für die mittleren Zonen. Ich sehe auch ein, daß man das Prinzip zugeben<br />

und über seine Anwendung streiten kann. Man kann sagen, es gibt sehr<br />

fruchtbare kalte Länder und sehr unfruchtbare Länder im Süden. Aber diese<br />

Schwierigkeit besteht nur für solche Leute, die den Gegenstand nicht von jedem<br />

Gesichtspunkt aus betrachten. Man muß, wie gesagt, Arbeit, Kräfte, Verbrauch<br />

usw. berücksichtigen.<br />

Nehmen wir an, daß der Ertrag von zwei gleich großen Gebieten im<br />

Verhältnis von fünf zu zehn steht. Wenn die Bewohner des ersten vier verbrauchen<br />

und die des zweiten neun, so ist der Ertragüberschuß im ersten Fall<br />

ein Fünftel, im zweiten ein Zehntel. Die beiden Überschüsse stehen also im<br />

umgekehrten Verhältnis zu den Erträgen, und der Boden, dessen Ertrag<br />

gleich fünf ist, gibt doppelt soviel Überschuß wie der andere, der zehn erzeugt.<br />

Aber es handelt sich nicht um einen doppelten Ertrag, und ich glaube,<br />

keinem wird es einfallen, die Fruchtbarkeit kalter und heißer Länder gleichzusetzen.<br />

Nehmen wir einmal diese Gleichheit an; geben wir meinetwegen England<br />

und Sizilien, Polen und Ägypten die gleiche Fruchtbarkeit. Weiter nach<br />

Süden zu haben wir Afrika und Indien, nach Norden zu nichts mehr. Der Ertrag<br />

ist zwar gleich, aber die Bearbeitung des Bodens ist ganz verschieden. In<br />

Sizilien braucht man nur die Erde zu lockern, in England muß der Bauer sich<br />

abmühen. Wo man mehr Arbeit braucht, um denselben Ertrag zu erzielen,<br />

muß der Überschuß notwendig geringer sein.<br />

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