Trible-mein_gott_war..
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GescrlicllteJtl. Als sie das Land ihrer Knechtschaft verläßt, lernt<br />
Hagar rucht den Exodus, sondern das Exil kennen.<br />
Ein zweites Verb gibt ihr Ziel an: »und irrte in der Wüste umher bei<br />
Beerscheba« (21,14f; Luth). Das Verb umherirren (t'h) beinhaltet<br />
Ungewißheit, Mangel oder Verlust der Richtung und eventuell auch<br />
bittere Not. 60 Da dieses Wort niemals das Tun der Hebräer nach<br />
ihrem Auszug aus Ägypten beschreibt, weist sein Gebrauch für<br />
Hagar darauf hin, daß ihr Erlebrus der Wüste anders ist als das der<br />
Hebräer. Fortgeschickt aus dem Land ihrer Knechtschaft, »zog sie<br />
hin und irrte in der Wüste umher ...«. Durch das Ponomen sie<br />
wird Hagar zum ersten Mal in dieser Szene zum Subjekt aktiver<br />
Verben. Wenn Verbannung schon keine Befreiung ist, so bringt sie<br />
sie doch dem Personsein näher. Diese Entwicklung beginnt mit der<br />
2. Episode.<br />
Im Gegensatz zu ihrer Parallele in Szene 1 enthält diese Episode in<br />
der Wüste zwei Abschrutte. Der erste (21,14e-16) schildert Hagar<br />
allein mit ihrem Kind; da ist kein göttlicher Bote mehr, der sie bei<br />
einem Wasserbrunnen findet. Tatsächlich liefert, im Unterschied zu<br />
der Gegend von Schur, das Gebiet um Beerscheba überhaupt kein<br />
Wasser. 61 Außerdem liegt es rucht an der Grenze zu Ägypten. Diese<br />
Wüste, die Hagar in ihrem aufgezwungenen Exil - nicht nach<br />
freiwilliger Flucht - aufrlimmt, ist ein dürrer und fremder Ort. Er<br />
bietet dem Kind ein Totenbett.<br />
Als nun das Wasser in dem Schlauch ausgegangen <strong>war</strong>,<br />
ließ62 sie das Kind unter einem Strauch. (21,15)"<br />
Wenn er »das Kind« (yld) und nicht »ihr Kind« oder »ihren Sohn«<br />
sagt, so deutet der Erzähler damit emotionale Distanz an, die zur<br />
körperlichen Distanz wird.<br />
Und [sie] ging hin und setzte sich gegenüber<br />
vOll ferne, einen Bogenschuß weit. 63 (21,16a Luth)""<br />
" A.O./PTü: When the water in the skin was gone,<br />
she left the child under one of the bushes. (21,15 RSV*)<br />
"" A.O./PTü: Then she went and sat down over against him<br />
a good way off, about the distance of a bowshot. (21,16a RSV)<br />
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qnterschied zu dem Dornbusch (seneh) in der Wüste am Horeb<br />
3,2) offenbart der Strauch (slah); unter dem der Junge liegt,<br />
Boten Gottes in einer Feuerflamme. 64 Voller Verzweiflung<br />
Hagar über den nahe bevorstehenden Tod ihres Kindes nach.<br />
Es geht über ihre Kraft. Es ist das einzige Mal in dieser ganzen<br />
Szene, daß sie spricht,65 wenn auch ihre Äußerung vielleicht nur ein<br />
Bei-sieh-Denken ist. 66 Die Worte vertiefen das Bild dieser Frau und<br />
vermitteln uns einen Eindruck von ihrem Leiden und ihrer Einsamkeit<br />
in der Wüste des Exils. »Denn sie sprach: >Laß mich nicht sehen<br />
(r'h) den Tod des Kindes«( (21,16b). Nachdem sie einst sah (r'h), daß<br />
sie empfangen hatte, und auch den Gott sah (r'h), der jenes neue·<br />
Leben guthieß (16t4,13), versucht die Mutter nun, ihren Blick vor<br />
seinem Sterben zu verschließen. Ebenso wie der Erzähler (21,15)<br />
benutzt sie ein Vokabular, das Distanz ausdrückt. Sie spricht von<br />
»dem Kind« anstatt von »<strong>mein</strong>em Kind« oder »<strong>mein</strong>em Sohn«.<br />
Diese letzten Worte Hagars richten sich an niemanden, sie ergeben<br />
sich dem Tod. .<br />
Hagar weint. Der hebräische Text sagt es ganz deutlich: »Sie erhob<br />
ihre Stimme und weinte« (21,16c Luth). Von alters her haben jedoch<br />
Übersetzer die Frau ihres Kummers beraubt, indem sie die eindeutig<br />
femininen Verbformen in maskuline Konstruktionen umänderten. 67<br />
Solche Veränderungen lassen das Kind seine Stimme erheben und<br />
weinen. Aber solche maskulinen Korrekturen können Hagar nicht<br />
zum Schweigen bringen. Eine Heerschar von femininen Verbformen<br />
in diesem Abschnitt bezeugen unzweifelhaft ihre Tränen: Sie<br />
ging fort, und sie irrte in der Wüste umher; sie fand einen Platz, wo<br />
ihr Kind sterben konnte, sie wachte bei ihm, und sie äußerte die<br />
furchtbaren Worte »der Tod des Kindes«. Nun, da sie in einer<br />
gewissen Entfernung von ihm sitzt, erhebt sie ihre Stimme, und sie<br />
weint. Ihr Kummer, so wie ihr Sprechen, ist sich selbst genug. Sie<br />
schreit nicht zu jemandem, sie fleht Gott nicht an. Eine Madonna<br />
allein mit ihrem sterbenden Kind - Hagar weint.<br />
Unter den wenigen Fragmenten, die Hagars Geschichte zugänglich<br />
machen, ist es nur dieser Abschnitt (21,14e-16), der sie getrennt von<br />
allen anderen Hauptpersonen schildert. Obwohl das Kind im Sterben<br />
liegt, richtet sich das Interesse des Erzählers durchgehend auf<br />
die Mutter, ihr Handeln, ihre Gedanken, ihre Worte, ihre Emotio-<br />
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