Trible-mein_gott_war..
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sie einen neuen Anfang mit den Männern. All<br />
geschah ),ZU der Zeit, da die Richter regierten« (Rut 1,1). Wie<br />
anders werden Rut und Noomi im Vergleich zu der Ne~beJrrtr'all<br />
behandelt!<br />
Das Fehlen von Frauenfeindlichkeit, Gewalt und Rache in den<br />
Geschichten, die den benjaminitischen Überlieferungen ge~~en,über'"<br />
gestellt werden, spricht eine wohltuende Sprache in Zeit<br />
Richter. Die Schilderung der Frauen verstärkt die Botschaft.<br />
der Nebenfrau, den Frauen von Benjamin, den jungen Frauen<br />
Jabesch-Gilead und den Töchtern von Schilo stehen Har.na, Noomi,<br />
Rut und die Frauen von Betlehem. Daß es die letztere Gruppe gibt,<br />
kann die Leiden ihrer Schwestern nicht auslöschen, aber es zeigt<br />
doch sowohl den Allmächtigen als auch die Männer in viel giiIlsti,gerem<br />
Licht. Von diesen Geschichten aus »das Herz auf die NebeJrrfr'au<br />
zu richten,« bedeutet also, einen Weg zur Erlösung zu zeigen.<br />
Von seiten der Propheten. Eine vierte Reaktion auf die Gescllidlte<br />
kommt aus der prophetischen Literatur, insbesondere von Hosea.<br />
Zwei beiläufige Hinweise legen nahe, daß die Erinnerung an Gibea<br />
noch jahrhundertelang bewahrt wurde. 65 Als der Prophet die Tage<br />
der Heimsuchung und Vergeltung rur Israel ankündigt, erklärt er:<br />
Tief verdorben ist ihr Tun<br />
wie in den Tagen von Gibea;<br />
darum wird er ihrer Schuld gedenken<br />
und ihre Sünden heimsuchen. (Hos 98; Luth)<br />
Und an einer anderen Stelle sagt er:<br />
Israel, du hast seit den Tagen<br />
von Gibea gesündigt. (Hos 10,9; Luth)<br />
Zwei Hinweise auf Erinnerungen an die Verbrechen von Gibea sind<br />
aber nicht viel. Die prophetische Überlieferung hat ihr Herz kaum<br />
der Nebenfrau zugewandt.<br />
Von seiten der übrigen Schrift. Überwältigendes Schweigen ist die<br />
runfte Reaktion auf diesen Text. Es kommt sowohl vorn alten Israel<br />
als auch von der frühen christlichen Ge<strong>mein</strong>de. Wenn der Levit<br />
schon den Stämmen Israels nicht die ganze Wahrheit berichtet hat,<br />
wieviel mehr hat die kanonische Tradition es versäumt, sie zu<br />
bewahren! Die schneidenden, ja, sarkastischen Worte des Propheten<br />
Amos bei einer anderen Gelegenheit fangen den Geist dieser Art von<br />
Reaktion gut ein:<br />
Darum muß der Kluge<br />
zu dieser Zeit schweigen;<br />
denn es ist eine böse Zeit. (Am 5,13; Luth)<br />
Durch Schweigen werden Unvermögen und Mittäterschaft gedeckt.<br />
Schweigen ist Unrecht, denn die Geschichte gebietet ihren Zuhörern,<br />
»ihr Herz auf sie zu richten, zu beraten und zu sprechen«<br />
(19,)0; 20,7),<br />
Von seiten der Leser. »Richtet euer Herz auf sie, beratet und<br />
sprecht.« Diese Imperative leiten direkt in die Gegen<strong>war</strong>t über und<br />
fordern uns dazu heraus, eine neue Antwort zu geben. Somit wird<br />
die sechste Reaktion von den Lesern der Geschichte er<strong>war</strong>tet. Von<br />
dieser Frau zu sprechen, bedeutet aber, die Handlung, die Gestalten<br />
und die biblische Tradition ganz neu und anders als der Erzähler zu<br />
interpretieren, weil ihr bisher weder Mitleid noch Aufmerksamkeit<br />
geschenkt worden sind. Wenn wir uns die Geschichte von der<br />
Nebenfrau zu Herzen nehmen, zu was rur einern Ratschluß kommen<br />
wir dann? Was sollen wir sagen? Wie können wir, die Erben<br />
Israels, in Gegen<strong>war</strong>t von solch unerbittlichem und ungernildertem<br />
Schrecken sprechen?<br />
Vor allem können wir erkennen, daß die Geschichte heute noch<br />
möglich ist. Frauenfeindlichkeit gehört zu jedem Zeitalter einschließlich<br />
unseres eigenen. Gewalttätigkeit und Rache sind nicht<br />
nur ,rur eine ferne, vorchristliche Vergangenheit charakteristisch.<br />
Die Frau als Objekt wird immer noch gefangen, verraten, geschändet,<br />
gequält, ermordet, zerstiickelt und zerstreut. Wenn wir uns<br />
diese alte Geschichte zu Herzen nehmen, heißt das, daß wir uns<br />
eingestehen, daß es das alles auch heute noch gibt. 66 Die Geschichte<br />
lebt, und es ist noch längst nicht alles gut. Über das Eingeständnis<br />
hinaus müssen wir miteinander zu Rate gehen und sagen: »Nie<br />
wieder!« Dieser Vorsatz wird allerdings unwirksam bleiben, wenn<br />
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