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Trible-mein_gott_war..

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Abschalom flieht. David trauert, allerdings wissen wir nicht genau,<br />

ob er sich um Amnon, den Ermordeten, oder um Abschalom, den<br />

Flüchtigen, grämt.?' Sicher wissen wir nur, daß es ihm nicht um<br />

Tamar, die Geschändete, geht.<br />

Nach drei Jahren kehrt Abschalom nach Jerusalem zurück, aber<br />

David weigert sich eine Zeitlang, ihn zu sehen (14,1-33). Als der<br />

Erzähler von diesen Ereignissen berichtet, schiebt er folgende<br />

Beschreibung ein: »Es <strong>war</strong> aber in Israel kein Mann so schön (yph)<br />

wie Abschalom; und er hatte dieses Lob vor allen; von der Fußsohle<br />

bis zum Scheitel <strong>war</strong> nicht ein Fehl an ihm« (14,25,Luth). Schön ist<br />

dasselbe Wort, das einst für Tamar gebraucht wurde. Bruder und<br />

Schwester <strong>war</strong>en ein ansehnliches Paar in Israet aber nun lebt die<br />

Schwester trostlos dahin. Der Erzähler weiß noch mehr zu dem<br />

Thema zu sagen, als er von Abschalom auf dessen Nachkommen<br />

übergeht: »Und Absalom wurden drei Söhne geboren und eine<br />

Tochter, die hieß Tamar« (14,27, Luth). Es fällt aut daß die<br />

Anonyniität der Söhne den Namen des einzigen weiblichen Kindes<br />

besonders hervorhebt. In ihr hat Abschalom seiner Schwester ein<br />

lebendiges Denkmal gesetzt. Eine weitere Bemerkung unterstreicht<br />

dessen Bedeutung noch. Tamar, die Tochter Abschaloms »<strong>war</strong> ein<br />

schönes (yph) Mädchen«. Von der Tante sind Name und Schönheit<br />

auf die Nichte übergegangen, so daß Vergewaltigung und Trostlosigkeit<br />

nicht das letzte Wort in der Geschichte von Tamar haben.<br />

Von seiten der Leser. Abschalom bewahrt ihr Gedächtnis, der Erzähler<br />

berichtet, und wir, als Leser, reagieren.?J Wenn wir auch nicht<br />

Abschaloms gewaltsame Rache gutheißen können, so können wir<br />

uns doch das Mitleid, das er für seine Schwester empfindet, zu eigen<br />

machen. Eine solche Sympathie führt zu ironischen Gedanken über<br />

einen Abschnitt in den Sprüchen. Als Lehrbuch für junge Männer?4<br />

nutzen die Sprüche oft Frauen für ihre eigenen Zwecke aus. Die<br />

fremde Frau symbolisiert die böse Frau, vor der die Dame Weisheit?5<br />

den Mann beschützen kann.?6 Dieser Gegensatz wird auch herausgestellt,<br />

wenn der Lehrer einen jungen Mann ermahnt:<br />

Sprich zur Weisheit: Du bist <strong>mein</strong>e Schwester,<br />

und nenne die Klugheit deine Freundin,<br />

sie dich behiite vor der Frau des anderen,<br />

vor der Fremden, wenn sie glatte Worte gibt. (Spr 7,4-5,Luth)<br />

Nur hier bezeichnen die Sprüche Weisheit ais eine »Schwester«'??<br />

Der familiäre Terminus klingt in unserer Geschichte wieder an,<br />

wenn Amnon die weise Tamar seine Schwester nennt'?s Aber an<br />

dieser Stelle setzt die Ironie ein. »Komm, lege dich zu mir, <strong>mein</strong>e<br />

Schwester!« verlangt Amnon und pervertiert damit die Bezeichnung,<br />

um seiner Lust zu frönen. Tamar antwortet mit Weisheit:<br />

Nicht doch, <strong>mein</strong> Bruder.<br />

Schände mich nicht,<br />

denn so tut man nicht in Israel<br />

Tu nicht solch eine Schandtat! (13,12,Luth)<br />

Selbst nachdem er sie schon vergewaltigt hat, spricht sie voller<br />

Weisheit weiter!<br />

Denn mich fortzuschicken ist ein größeres Übel<br />

als das andere, das du mir getan hast. (13,16)<br />

Der ersten Zeile des Spruches Folge leistend, sagt Amnon tatsächlich<br />

zu Tamar: »Meine Schwester bist du«. Seine Umarmung j~doch<br />

läuft nur auf eine Schändung der Weisheit hinaus. Auch durch die<br />

zweite Zeile wird dieser Kontrast sichtbar: »Nenne die Klugheit<br />

deine Freundin (oder Verwandte).« Auch dieser Rat wird von<br />

Amnon falsch angewandt, denn er wählt sich den gerissenen Jonadab<br />

zum Freund. Dieser heckt einen Plan aus, der der begehrlichen<br />

Phantasie des Prinzen Vorschub leistet. Insofern kommt von diesem<br />

Verwandten nur Niederträchtigkeit, nicht Einsicht.<br />

Als er zur Weisheit sagte: »Meine Schwester bist du« und sich<br />

ratsuchend an einen intimen Freund wandte, wurde Amnon tatsächlich<br />

bewahrt »vor der Frau des anderen, vor der Fremden, wenn sie<br />

glatte Worte gibt«. Aber sie <strong>war</strong> ja gar nicht seine Versuchung. Sein<br />

Übel <strong>war</strong> seine eigene Begierde, und vor der mußten andere<br />

geschützt werden. Somit enthüllt Amnons Verhalten die frauenfeindliche<br />

Voraussetzung dieses Spruches und kann uns zu 'einer<br />

ganz anderen Sicht der Dinge führen. Auch verlangt das Mitleid mit<br />

Tamar eine neue Sehweise. Wenn Schwester Weisheit einen jungen<br />

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