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Trible-mein_gott_war..

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gegenüber gelobt hat, weil der Herr ihm das getan ('sh) hat, worum<br />

er ihn gebeten hatte. Die junge Frau versteht das wohl. Sie weiß:<br />

»Tod und Leben stehen in der Zunge Gewalt« (Spr 1.8,21.). Darum<br />

bestätigt sie ihren Vater in seinem Gelübde und betet nicht darum,<br />

daß der Kelch an ihr vorübergehen möge.<br />

c') Trotzdem ergibt sie sich aber nicht wortlos in ihr Schicksal.<br />

Innerhalb der Grenzen des Unausweichlichen hat sie den Mut, für<br />

sich selbst etwas auszuhandeln. Das Opfer ergreift die Initiative,<br />

nicht weil sie sich schuldig fühlt, sondern um ihrer Integrität willen.<br />

Und so berichtet der Erzähler von ihrer zweiten Rede: »Sie sagte zu<br />

ihrem Vater« (1.1.']7a). Dieses Mal benutzt der Erzähler, nicht die<br />

Tochter, die verwandtschaftliche Bezeichnung. Der Unterschied<br />

wird zur Distanz. Nachdem sie ihrem Vater zunächst voller Verständnis<br />

entgegengekommen ist, tritt sie nun einen Schritt von dem<br />

zurück, der ihr Henker werden soll. Ihre Bitte macht diese Trennung<br />

klar: »Laß dieses (däbär) noch für mich getan werden«, beginnt sie<br />

(1.1.']7b). Das Verb und sein präpositionales Objekt spielen auf ihre<br />

früheren Worte an. »Tu ('sh) mit mir (11)«, hatte sie gesagt, weil der<br />

Herr »getan hat ('sh) an dir (lekä) ...«. Vorher aber »laß dieses<br />

noch für mich (11) getan ('sh) werden«:<br />

Laß mich allein zwei Monate,<br />

daß ich gehen und wandem 44 möge auf die Berge<br />

und <strong>mein</strong>e Jungfräulichkeit beweine -<br />

ich und <strong>mein</strong>e Freundinnen. (1.1.,37C)<br />

Sie bittet umAufschub, um Zeit an einem Ort, der von ihrem Vater<br />

und seinem Gelübde weit entfernt ist. Diese Zeit soll mit Klagen<br />

hingebracht werden, mit Klagen nicht um den Tod, sondern um ein<br />

unerfülltes Leben.<br />

Sicherlich, der Tod gehört zum Leben: »Wir sterben des Todes und<br />

sind wie Wasser, das auf die Erde gegossen wird und das man nicht<br />

wieder sammeln kann« (2 Sam 1.4,1.4). Aber dieser besondere Tod<br />

spottet allen Kategorien des natürlichen und zu er<strong>war</strong>tenden<br />

Todes. 45 Erstens ist er verfrüht; ihr Leben endet, bevor es seine<br />

Möglichkeiten entfaltet hat. Wenn König Hiskia bitterlich weinen<br />

konnte, daß er »in der Mitte« seines Lebens sterben mußte<br />

(Jes 38,],1.0), wieviel mehr muß dann dieses Kind klagen im Frühling<br />

seines Lebens! Zweitens wird ihr Tod ein gewaltsamer sein. Tod<br />

durch Verbrennen ist ein bitterer Tod, und noch bitterer, wenn es<br />

der eigene Vater ist, der ihn verursacht. Drittens wird sie, wenn sie<br />

stirbt, keine Erben hinterlassen, weil sie eine Jungfrau ist. Was für<br />

jede hebräische Frau die Erfüllung bedeutet, das Gebären von Kindern,<br />

wird sie niemals kennenlernen (1. Sam 1.,1.-20). Ohne ein Kind,<br />

das nach ihr da sein wird, kann sie zu denen gezählt werden, an die<br />

sich keiner mehr erinnert, zu denen, die >>umgekommen sind, als<br />

wären sie nie gewesen« (Sir 448)' Verfrüht, gewaltsam, ohne<br />

Erben: Alle Merkmale eines unnatürlichen Todes treffen bei dieser<br />

jungen Frau zu, und es bleibt ihr nicht einmal das Wissen darum<br />

erspart. Ihr Tod ist ein geplanter, ein Todesurteil durch Mord, der<br />

über ein unschuldiges Opfer verhängt wird aufgrund des glaubenslosen<br />

Gelübdes, das ihr törichter Vater abgelegt hat. Diese<br />

Umstände legen einen dunklen Schatten über die Bitte, die sie an ihn<br />

richtet: »... daß ich gehen und wandern möge auf die Berge und<br />

<strong>mein</strong>e Jungfräulichkeit beweine.«<br />

Die abschließenden Worte ihrer Rede eröffnen aber in dieser<br />

Geschichte eine neue Dimension. Bisher <strong>war</strong> ihre Isolierung betont<br />

worden. Sie ist das »einzige Kind«; allein begrüßt sie ihren Vater<br />

mit Musik und Tanz; und sie bittet ihn, daß er sie zwei Monate<br />

allein läßt. Aber dann fügt sie hinzu: »ich ('änam) und <strong>mein</strong>e<br />

Freundinnen«. In der Zeit ihres tiefsten Kummers, den letzten<br />

Tagen ihres Lebens, streckt das Mädchen seine Hände nach anderen<br />

Frauen aus. Sie wählt sie sich als Gefährten für ihre Wanderung auf<br />

die Berge und um ihre Jungfräulichkeit zu beklagen. In Ge<strong>mein</strong>schaft<br />

mit ihresgleichen transzendiert sie die Distanz zwischen<br />

Tochter und Vater. Nach diesem Hinweis auf ihre Freundinnen<br />

spricht sie nicht mehr. Innerhalb der Grenzen des Unausweichlichen<br />

hat sie einen Lebenssinn für sich gefunden.<br />

b', a') Kurz und bündig gibt der Vater ihrer Bitte nach. »Gehe hin«,<br />

sagt er und das sind seine letzten Worte in der Geschichte<br />

(1.1.,]8a). Von da an spricht nur noch der Erzähler. Er übernimmt die<br />

Ausdrucksweise der Tochter, als er von der Ausführung ihres Planes<br />

berichtet: »So schickte er sie fort für zwei Monate. Sie ging, sie und<br />

ihre ,Freundinnen, und sie beweinte ihre Jungfräulichkeit auf den<br />

Bergen« (1.1.,]8). In der Gesellschaft anderer Frauen, die ihre Tragö-<br />

1.49

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