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Trible-mein_gott_war..

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ge()pfert und erschlagen.<br />

Meine persönliche Entscheidung und verschiedene Zufälle haben<br />

mich dazu bewogen, gerade diese Geschichten zu erzählen: Ich<br />

hörte, wie eine sch<strong>war</strong>ze Frau sich selbst als Tochter der Hagar<br />

bezeichnete, die außerhalb des Bundes stehe; ich sah eine Frau, der<br />

man übel mitgespielt hatte, in den Straßen von New York mit einern<br />

Schild »Mein Name ist Tamar«; ich las Zeitungsberichte über den<br />

zerstückelten Leib einer Frau, den man in einer Mülltonne gefunden<br />

hatte; ich besuchte Gottesdienste zum Gedächtnis namenloser<br />

. Frauen; und ich rang mit dem Schweigen, der Abwesenheit und dem<br />

Widerstand Gottes. All diese und andere Erlebnisse haben mich in<br />

ein Land des Schreckens geführt, von dessen Grenze kein Reisender<br />

unverletzt zurückkehrt. Die Reise führt in ein abgelegenes Gebiet<br />

und hinterläßt einen tiefen Eindruck. Wenn der Leser sich diesem<br />

Unternehmen anschließen will, nimmt er dessen Risiken auf sich.<br />

Fallen und Orientierungshilfen<br />

Der Leser braucht sich aber nicht unvorbereitet darauf einzulassen.<br />

Da die Verfasserin diese Reise schon gemacht hat, kennt sie das<br />

Terrain. Von Anfang an stellen gewisse theologische Positionen<br />

interpretative Fallen dar, die in ihrem Kern auf christli~hem Chauvinismus<br />

beruhen. Aber: Erstens geht es nicht an, diese Geschichten<br />

nur für Relikte einer fernen, primitiven und unterlegenen Vergangenheit<br />

zu halten, denn durch das offenkundige Zeugnis der<br />

Ges~~hte werden alle Ansprüche auf Überlegenheit der christlichen<br />

Ara schlagend widerlegt.5 Zweitens ist es irreführend, den<br />

. neutestamentlichen Gott der Liebe einern alttestamentlichen Gott<br />

des Zorns gegenüberzustellen, denn der Gott Israels ist auch der<br />

Gott Jesu, und in beiden Testamenten besteht eine Spannung zwischen<br />

göttlichem Zorn und göttlicher Liebe. Drittens ist es unberechtigt,<br />

das Leiden der vier Frauen im Vergleich zu dem Leiden am<br />

Kreuz herunterzuspielen, denn ihre Passion hat·eine eigene Integrität,<br />

und kein Vergleich kann ihnen den Schrecken abnehmen, den<br />

sie kennengelernt haben. Viertens ist es pervers, für diese Geschich-<br />

1.6<br />

Erlösung in der Auferstehung zu suchen, denn traurige Geschichhaben<br />

kein glückliches Ende.<br />

Diese Fallen werden durch Orientierungshilfen ausgeglichen, an die<br />

wir uns beim Erzählen und Hören dieser Geschichten halten können.<br />

Die Bibel als einen Spiegel zu begreifen, ist eine solche Hilfe. Wenn<br />

Kunst das Leben imitiert, so reflektiert die Schrift es ebenso, sowohl in<br />

seiner Heiligkeitals auch in seinem Schrecken. Spiegelbilderbewirken<br />

an sich keine Veränderungen undführen sie auch nicht herbei, aber sie<br />

können Einsichten möglich machen und unter Umständen zur Buße<br />

führen. Mit anderen Worten, traurige Geschichten können vielleicht<br />

dazu beitragen, daß ein neuer Anfang gemacht wird.<br />

Eine zweite Orientierungshilfe besteht darin, die Schrift selbst zur<br />

Interpretation der Schrift heranzuziehen. 6 Wenn man über eine<br />

einzelne Geschichte nachdenkt, stellen sich Assoziationen zu anderen<br />

Texten ein, und das Lesen anderer Texte erhellt die Einzelgeschichte.<br />

Diese Art von Dialektik prägt <strong>mein</strong> Erzählen trauriger Geschichten.<br />

Unter den vielen Bibelstellen, auf die ich in den folgenden Aufsätzen<br />

anspiele, werden drei bestimmte Abschnitte als Leitmotive auftauchen:<br />

Die Gesänge vorn Leidenden Gottesknecht des Deutero-Jesaja,<br />

die Passionsgeschichten der Evangelien und die eucharistischen<br />

Abschnitte in den Paulus-Briefen. Diese bekannten TextsteIlen wer~<br />

den allerdings in ungewöhnlicher Weise verwendetJ Frauen, nicht<br />

Männer, sind hier die leidenden Dienenden und Christusgestalten.<br />

Ihre Geschichten bestimmen den Gebrauch der Leitmotive. Wenn die<br />

Schriftso durch die Schriftinterpretiertwird, werden derTriumphalismus<br />

unterhöltundbeunruhigende Fragen des Glaubens aufgeworfen.<br />

Proviant fiir die Reise<br />

Außer den Orientierungshilfen, die wir für das Erzählen und Hören<br />

dieser Texte haben, gibt uns ein bestimmter Proviant die nötige Kraft<br />

für die Reise. Es ist nicht viel, aber es reicht aus: eine Perpektive, eine<br />

Methode und eine Geschichte. Jakobs Kampf am Jabbok ist die<br />

Geschichte, Literarkritik die Methode und Feminismus die Perspektive.<br />

Als eine Kritik an der Kultur und dem Glauben angesichts der

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