PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith
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I<br />
Die — auf mehrere und wechselnde Akteure verteilte<br />
— Rolle der Lehrenden ist innerhalb der hier beschriebenen<br />
Projektarbeit gekennzeichnet durch einen reflektierenden<br />
Umgang mit der eigenen Position in dem Spannungsfeld,<br />
das sich zwischen institutioneller Verantwortung<br />
und unabhängiger Forschung, zwischen hierarchischer<br />
Weitergabe legitimierten Wissens und kollektiver experimenteller<br />
Arbeit auftut. Der ebenfalls vermittelnden Position<br />
von KuratorInnen nicht unähnlich,[7] vollziehen im<br />
Allgemeinen auch Lehrende einen Spagat, der die Unterschiede,<br />
die Pierre Bourdieu in seinem 2000 erschienenen<br />
Text «Genese und Struktur <strong>des</strong> religiösen Fel<strong>des</strong>» zwischen<br />
Priestern und Propheten beobachtete, zu überbrücken<br />
sucht. Die Priester sind dabei die «Inhaber eines gesellschaftlich<br />
anerkannten und institutionalisierten Kapitals<br />
an religiöser Autorität», deren Pflichten darin bestehen,<br />
Ordnung zu stiften, m<strong>ith</strong>in die symbolische Macht der<br />
<strong>Institut</strong>ion (hier der Kirche) aufrechtzuerhalten. Die Propheten<br />
dagegen sind darauf ausgerichtet, die «gewöhnliche<br />
Ordnung» in Frage zu stellen, dabei neuartige Heilsgüter<br />
zu produzieren und zu verbreiten, die zur Diskreditierung<br />
der alten dienen können. Sie begegnen also der Orthodoxie<br />
mit Häresie. Auch hier besteht die Möglichkeit einer<br />
von Veränderung in Affirmation umschlagenden Akzeptanzbewegung,<br />
kann doch in der Entwicklung <strong>des</strong> Machtkampfes<br />
zwischen Priester und Kirche einerseits und Prophet<br />
und Sekte andererseits, die Sekte zur Kirche werden,<br />
um damit zugleich dazu bestimmt zu sein, eine neue<br />
Reformation auszulösen.[8]<br />
Übertragen auf den Kontext einer Hochschule ist<br />
damit zum einen die von Lehrenden eingenommene vermittelnde<br />
Rolle angesprochen, in der sie die Einstiegsvoraussetzungen<br />
in das Feld, die sie selbst erfüllten, an die<br />
Studierenden weitergeben, um gleichzeitig ihre Stellung<br />
im Feld dadurch zu festigen, dass sie sich in ihrer künstlerischen<br />
und/oder forschenden Praxis über eben diese<br />
Kriterien hinwegsetzen und die etablierte Lehrmeinung<br />
in Frage stellen. In dieser Zwickmühle zwischen Verpflichtungen<br />
der auftraggebenden <strong>Institut</strong>ion gegenüber<br />
und den Autonomieansprüchen <strong>des</strong> Fel<strong>des</strong> organisieren<br />
Lehrende im Kunstfeld ihre Arbeit im Überschneidungsbereich<br />
administrativer bzw. ökonomischer und künstlerischer<br />
Anforderungen.[9] In besonderem Maße exemplifizieren<br />
sie damit die Problematik postindustrieller<br />
Arbeitsverhältnisse, wie sie derzeit in dem um das von<br />
Foucault vorgestellte Konzept der «Gouvernementalität»<br />
geführten Diskurs verhandelt wird. Die Selbsttechnologien,<br />
durch die eine zum gesellschaftlichen Leitbild gewordene<br />
‹autonome› Subjektivität verbunden wird mit wirtschaftlichen<br />
Regierungszielen, kommen hier zum Einsatz.[10]<br />
Ausgehend und zugleich abweichend von Bourdieus<br />
dichotomem Modell, lässt sich <strong>für</strong> Lehrende ein mit kritischen<br />
Perspektiven ausgestatteter Handlungsspielraum in<br />
Haltungen und Verfahren ausmachen, mit denen sie sich<br />
weder auf die Seite der Priester noch auf diejenige der<br />
Propheten schlagen, sondern das zwischen beiden Rollen<br />
bestehende Verhältnis in die forschenden und experimentierenden<br />
Aktivitäten einbinden. In einem Modus kritischer<br />
Reflexion wechselweise Aufgaben, Praktiken und<br />
Zuschreibungen beider Positionen anzunehmen, bedeutet,<br />
sich in einer dritten — transitorischen, flexiblen und hybriden<br />
— Position zu verorten, deren Eigenschaften sich im<br />
Vollzug der eigenen Praxis jeweils neu bestimmen.<br />
Dan Peterman: «Extended Falster Video /<br />
Greenhouse», Januar 2000, im Rahmen <strong>des</strong><br />
Projekts mit Dan Peterman: «Treibhaus»,<br />
Kunstraum der Universität Lüneburg, Lüneburg,<br />
1998-2000.<br />
«how to put things we can/not space», 28. Juni<br />
— 4. Juli 2006, im Rahmen von: Raumvermittlung,<br />
ein Projekt mit Dorit Margreiter, /D/O/C/K/-<br />
Projektbereich der Hochschule <strong>für</strong> Grafik und<br />
Buchkunst Leipzig, Leipzig 2006. (Beteiligte:<br />
Johanna Bieligk, Beatrice von Bismarck, Yvon<br />
Chabrowski, Angela Dressler, Anke Dyes, Roman<br />
Graneist, Andreas Enrico Grunert, Anke Gesell,<br />
Alexander Hempel, Stefan Hurtig, Bettina<br />
Hutschek, Eduard Klein, Ronald Kölbel, Angela<br />
Köntje, Ulrike Kremeier, Vera Lauf, Andrea<br />
Legiehn, Hans-Christian Lotz, Dorit Margreiter,<br />
Kathrin von Ow, Albrecht Pischel, Ines Rosse,<br />
David Scheuch, Stefanie Schwedler, Juliane<br />
Wenzl), 30. Juni 2006: (IL)LEGALE RÄUME<br />
IN DER INSTITUTION?, Workshop mit<br />
Stephan Dillemuth (societyofcontrol.com /<br />
Friesenwall 120, München), Silke Steets («niko<br />
31», Leipzig) und Markus Dressen («Illegaler<br />
Sommer», Leipzig), Foto von links nach rechts:<br />
Angela Dressler, Juliane Wenzl, Vera Lauf,<br />
Stefan Dillemuth.<br />
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