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PDF des gesamten Heftes (5MB) - Institut für Theorie ith

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52<br />

Drittens<br />

Bevor das reflexive Potential der Lecture Performance<br />

anhand einer Beispielanalyse konkretisiert wird, gilt es<br />

zunächst, die verschiedenen Relationsmöglichkeiten von<br />

Lecture und Performance, die sich häufig auch im jeweiligen<br />

räumlichen Setting der Lecture Performances manifestieren,<br />

zu skizzieren. Es können vorläufig fünf Formen<br />

differenziert werden: 1. die Performance als Lecture, 2. die<br />

Parallelisierung, 3. die Montage, 4. die Vermischung sowie<br />

5. die gegenseitige Unterwanderung von Performance und<br />

Lecture.<br />

1) Die Performance als Lecture umfasst Lecture Performances,<br />

in denen Künstler die Position von Wissenschaftlern<br />

einnehmen und eine Lecture halten, indem sie<br />

die Konventionen eines wissenschaftlichen Vortrags vornehmlich<br />

kopieren. Die Imitation ‹naturalisiert› das<br />

Verhältnis der KünstlerInnen zum wissenschaftlichen<br />

Diskurs. Vortragsforschung findet allein durch die kontextuelle<br />

Verschiebung der Rahmung von der Wissenschaft<br />

zur Kunst statt, die dazu führt, dass Elemente, die beim<br />

Hören eines Vortrags im wissenschaftlichen Kontext vielleicht<br />

nicht wahrgenommen werden — der Körper <strong>des</strong><br />

Vortragenden beispielsweise, seine Stimme, die Dramaturgie<br />

<strong>des</strong> Vortrags u.a. — in den Vordergrund treten.<br />

Dazu kann zusätzlich beitragen, dass die wissenschaftliche<br />

Autorität eines Künstlers weniger ausgeprägt ist;<br />

allerdings können diese ‹Autoritätsdefizite› durchaus kompensiert<br />

werden, etwa wenn Künstler über eigene Arbeiten<br />

sprechen. Lecture Performances dieser Art wären beispielsweise<br />

David Weber-Krebs’ «The Consequence of<br />

Infinite Endings» (17.03.2005, Mousonturm Frankfurt),<br />

Stefan Kaegis «V.l.n.r. — Gruppen von Gruppen» (14.08.<br />

2005, atelierfrankfurt) oder Jérôme Bels «The Last Performance<br />

— A Lecture» (02.10.2005, atelierfrankfurt).<br />

Mitunter wird der aufgerufene wissenschaftliche Rahmen<br />

durch die Wahl <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong> und seine Analyse (wie<br />

die Kategorisierung von Gruppenbildern bei Stefan Kaegi)<br />

subjektiviert und so an seine Grenzen geführt.[11] Die<br />

Ersetzung <strong>des</strong> performativen Rahmens durch den der Lecture[12]<br />

zeigt sich in der räumlichen Anordnung häufig<br />

daran, dass der Vortrag von einem Ort aus erfolgt (vorzugsweise<br />

einem Tisch mit Mikrophon und Wasserglas),<br />

den der Sprecher nicht verlässt.<br />

Arbeiten der zweiten Kategorie der 2) Parallelisierung<br />

von Performance und Lecture nutzen das Transformationspotential<br />

der Lecture Performance, das verschiedene<br />

Formate künstlerischer Arbeiten ineinander<br />

übersetzbar macht und deren Überführung in eine Live-<br />

Präsentation ermöglicht. Die Parallelisierung der Referenzbereiche<br />

von Lecture und Performance manifestiert<br />

sich erneut auch räumlich: Aktionen finden zumeist in der<br />

Fläche <strong>des</strong> Raumes statt; auf <strong>des</strong>sen Rückwand hingegen<br />

werden Dokumentationen vergangener Arbeiten projiziert.<br />

Während Jürgen Fritz in seiner Lecture Performance<br />

anlässlich <strong>des</strong> 20-jährigen Bestehens der Gruppe Black<br />

Market (10.11.2005, atelierfrankfurt) stumm agiert und die<br />

Tonspur der projizierten Ausschnitte akustisch dominiert,<br />

nimmt das britische Performanceduo Lone Twin in «Walk<br />

W<strong>ith</strong> Me Walk W<strong>ith</strong> Me Will Somebody Please Walk W<strong>ith</strong><br />

Me» (24.03.2006, Städelschule Frankfurt) immer wieder<br />

Bezug auf das im Raumhintergrund im Schnelldurchlauf<br />

erscheinende Filmbild, das sie in regelmäßigen Abständen<br />

anhalten, um das Gezeigte zu kommentieren. Ähnlich<br />

wie die Performance als Lecture nutzen und dehnen auch<br />

die parallelisierenden Lecture Performances das Vortragsformat<br />

eher, als dass sie es kommentieren oder brechen.<br />

Neben diesen Lecture Performances gibt es aber<br />

auch solche, in denen eine Reflexion <strong>des</strong> Vortragsformats<br />

durch das Alternieren und Oszillieren von Vortrags- und<br />

Xavier Le Roy: «Product of Circumstances», © Katrin Schoof

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